Kuss des Feuers
ewigem Leben hielten. Ich weiß nicht, wie sie daran kamen. Mein Vater weigert sich, es zu sagen. Archer zog gewissermaßen das kurze Streichholz. Unglücklicherweise fielen die Ergebnisse nicht so aus wie beabsichtigt. Was Archer auch widerfahren sein mag, war so schrecklich, dass der Club sich auflöste und die Mitglieder alle davonliefen, um sich zu verstecken.«
Sie atmete unregelmäßig. »Unsterblichkeit.«
»Seltsamere Dinge, meine Liebe.« McKinnon lächelte traurig. »Das Experiment verwandelte Archer. Unwiderruflich. Wutanfälle, auffällige körperliche Entstellungen. Er ist labil, vielleicht sogar wahnsinnig.«
Sie sprang auf. »Blödsinn. Das sagen Sie nur, damit ich mich von Archer abwende.«
Er sah sie an, während sie aufgeregt hin und her ging. »Lassen wir das blumige Gerede jetzt mal beiseite. Sie wissen, dass das nicht stimmt. Nun ja, es stimmt schon, dass es mir lieber wäre, wenn Sie sich von ihm abwenden würden. Aber das geschieht nicht aus Falschheit. Haben Sie denn nie die Gerüchte gehört? Dass er Lord Marvel zu Brei geschlagen hat? Ich versichere Ihnen, es gibt noch mehr Geschichten.«
»Gerüchte. Heißt es nicht auch, ich käme direkt aus einem Bordell?« Er öffnete den Mund, aber sie sprach schnell weiter. »Ich lebe mit dem Mann zusammen. Er ist nicht wahnsinnig. Ja, er hat ein aufbrausendes Temperament, aber er ist nicht verrückt.«
»Dann glauben Sie nicht, dass er nach Unsterblichkeit strebt?«
Sie zögerte. Ihre Röcke blähten sich, als sie wieder neben ihm aufs Sofa sank. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll.« Miranda biss sich auf die Unterlippe. Die Angelegenheit verwirrte sie. »Ein seltsamer Name.
West Moon Club
.«
»Ziemlich seltsam.« McKinnon ließ sich gegen die Rückenlehne sinken. »Es ist eine Anspielung auf ein norwegisches Märchen … Östlich der Sonne und westlich vom Mond.«
»Ich kenne die Geschichte«, sagte sie, und die längst vergessene Erinnerung ließ sie lächeln. »Einer der Seeleute meines Vaters erzählte sie mir mal, als die Männer dabei waren, Fracht zu löschen. Ein großer weißer Bär nimmt ein junges Mädchen zur Frau. Als Dank für ihren Gehorsam bekommt sie große Reichtümer. Aber dann findet sie heraus, dass er in Wirklichkeit ein verzauberter Prinz ist.«
»Mmm …«, meinte McKinnon und zog einen Mundwinkel hoch. »Dann erinnern Sie sich ja auch daran, dass der Bär sofort an einen Ort östlich der Sonne und westlich des Mondes verschwindet und eine Troll-Prinzessin heiraten muss, als die neugierige junge Dame seinen Wunsch, sich ihr nicht zeigen zu wollen, ignoriert und hinter sein Geheimnis kommt.«
Sie zupfte ein Haar von ihren Röcken. »Tja, nun … Aber am Ende hat sie ihn doch gerettet, oder nicht?«
McKinnon sah sie schief an, ehe er mit ausdrucksloser Stimme fortfuhr. »Östlich der Sonne und westlich des Mondes ist im Grunde nirgends. Den Club gab es auch nirgends. Die Treffen fanden an stets wechselnden Orten statt.«
Miranda seufzte und blickte zur Decke hinauf. »Ich sollte nichts von all dem glauben.« Bitterkeit schwang in ihrer Stimme mit, doch etwas raunte ihr zu, gut zuzuhören. »Warum … warum bringt jemand diese Männer um? Will er hinter das Geheimnis kommen? Versucht er seine Opfer durch Folter zum Reden zu bringen?«
»Und riskiert so, wie Archer zu enden?« McKinnon runzelte die Stirn. »Es gibt noch eine andere Möglichkeit – die sogar vom Club in Erwägung gezogen wurde, die man aber am Ende für zu schrecklich erachtete.« Er richtete sich auf und musterte sie. »Es gibt welche, die glauben, wenn man sich das Fleisch eines Menschen einverleibt, würden die Kraft und die Seele des Opfers auf einen selber übergehen.« Als er ihren skeptischen Blick bemerkte, protestierte er. »Ich habe nicht gesagt, dass ich das glaube. Aber es handelt sich um eine allgemein anerkannte Vorgehensweise, die schon im alten Ägypten praktiziert wurde. Zufälligerweise weiß ich, dass Archer Hieroglyphen zu dem Thema übersetzt hat.«
»Lächerlich«, sagte sie, nachdem sie zunächst nur ein ersticktes Keuchen herausgebracht hatte. »Das Essen von Menschenfleisch macht einen zu einem Kannibalen, sonst nichts. Sie versuchen, mir Angst einzujagen. Unsterblichkeit ist ein Mythos.«
»Spielt das eine Rolle?« Seine hellblauen Augen sahen sie unverwandt an. »Es geht hier nicht darum, ob Archer unsterblich geworden ist oder nicht. Diese Männer glaubten, sie hätten den Schlüssel zur Unsterblichkeit gefunden
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