Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
hinausführten. Im Vergleich zu den anderen Zimmern war dieses schlicht. Das Mobiliar war aus poliertem Mahagoni, jedoch ohne jegliche Verzierungen oder Spielereien. Die Wände und die Schubladen der Kommode waren leer.
Schläft hier etwa Ren?
Als ich einen Schreibtisch in der Ecke entdeckte, ging ich näher und sah dickes cremefarbenes Papier und ein Tintenfass mit einem altmodischen Füllfederhalter. Auf dem obersten Blatt war eine Notiz in wunderschöner Kalli grafie geschrieben.
Ein grüner Haargummi, der verdächtig nach einem von meinen aussah, lag neben dem Tintenfass. Ich lugte in den Wandschrank und fand nichts – keine Kleidung, keine Schuhschachteln, keinerlei Habseligkeiten.
Ich ging zurück nach unten und verbrachte den restlichen Nachmittag in der Bibliothek, um die indische Kultur, Religion und Mythologie zu studieren. In der Hoffnung, doch noch Gesellschaft zu bekommen, wartete ich, bis mein Magen knurrte, bevor ich zu Abend aß. Mr. Kadam war immer noch nicht von der Bank zurückgekehrt und auch von Ren fehlte jede Spur.
Nach dem Abendessen ging ich nach oben und fand Ren in seiner menschlichen Gestalt auf dem Balkon vor, wo er den Sonnenuntergang betrachtete. Schüchtern näherte ich mich ihm und blieb hinter ihm stehen. »Hallo, Ren.«
Er drehte sich um und musterte mich unverhohlen. Unerträglich langsam glitt sein Blick über meinen Körper. Je länger er mich ansah, desto breiter wurde sein Lächeln. Schließlich fanden seine Augen den Weg zurück in mein Gesicht, das glühte und sicher knallrot war.
Mit einem Seufzen verbeugte er sich tief. » Sundari . Ich stand hier und dachte, nichts könnte heute Abend schöner sein als dieser Sonnenuntergang, aber ich lag falsch. Wie du hier in der untergehenden Sonne stehst, mit deinem glänzenden Haar und deiner schimmernden Haut, ist beinahe mehr, als ein Mann … ertragen kann.«
Ich schluckte und versuchte, möglichst beiläufig das Thema zu wechseln. »Was bedeutet Sundari? «
»Es bedeutet Schönste.«
Ich errötete erneut und wusste nicht, wohin mit meinen Händen, was ihn zum Lachen brachte. Er nahm meine Rechte, legte sie auf seinen Arm und führte mich zu den Balkonmöbeln. Genau in diesem Augenblick verschwand die Sonne hinter den Bäumen und nur noch wenige Sekunden war der Himmel in ein orangerotes Glühen getaucht.
Wir setzten uns wieder, doch diesmal nahm er neben mir auf der Hollywoodschaukel Platz und ließ meine Hand nicht los.
Ich sagte schüchtern: »Ich habe mir heute dein Haus angeschaut, einschließlich deines Zimmers, ich hoffe, das ist dir recht.«
»Es stört mich nicht im Geringsten. Ich bin sicher, mein Zimmer war das uninteressanteste.«
»Um ehrlich zu sein, hat mich der Zettel neugierig gemacht, den ich bei dir gefunden habe. Was steht darauf?«
»Ein Zettel? Ach ja. Ich habe mir bloß ein paar Notizen gemacht, damit ich mich besser an die Dinge erinnern kann, die Phet gesagt hat. Da steht nur, suche Durgas Prophezeiung, die Kanheri-Höhle, Kelsey ist die von Durga Erwählte und solche Sachen.«
»Oh. Ich … habe auch ein Haarband gesehen. Ist es meins?«
»Ja. Wenn du es zurückmöchtest, gebe ich es dir natürlich wieder.«
»Warum hast du es überhaupt genommen?«
Er zuckte mit den Schultern, wirkte verlegen. »Ich wollte ein Pfand, ein Andenken an das Mädchen, das mir das Leben gerettet hat.«
»Ein Pfand? Wie bei einer holden Jungfrau, die dem Ritter in schimmernder Rüstung ihr Taschentuch schenkt?«
Er grinste. »Genau.«
»Zu schade, dass du nicht abgewartet hast, bis Cathleen ein bisschen älter ist«, versetzte ich spaßhaft. »Sie wird einmal eine Schönheit sein.«
Er runzelte die Stirn. »Cathleen aus dem Zirkus?« Er schüttelte den Kopf. »Du bist die Erwählte, Kelsey. Und wäre es mir erlaubt gewesen, das Mädchen auszusuchen, das mich errettet, wäre meine Wahl trotzdem auf dich gefallen.«
»Warum?«
»Aus vielerlei Gründen. Ich fand dich nett. Du bist interessant. Ich habe den Klang deiner Stimme genossen. Ich hatte das Gefühl, du würdest durch das Tigerfell den Menschen darunter sehen. Wenn du gesprochen hast, hast du immer genau die Dinge gesagt, nach denen ich mich sehnte . Du bist clever. Du magst Gedichte und du bist sehr hübsch.«
Ich lachte über seine Behauptung. Ich, hübsch? Das kann nicht sein Ernst sein. Ich bin in jeglicher Hinsicht Durchschnitt. Im Gegensatz zu anderen Teenagern machte ich mir kaum Gedanken über mein Aussehen. Meine Haut war blass, und
Weitere Kostenlose Bücher