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Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe

Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe

Titel: Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Houck
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das Gesicht herab. Ungefähr auf halber Strecke rutschte mein Stiefel zur Seite. Meine Knie gaben nach und ich taumelte. Der Dorn zeigte genau auf meine Brust, doch in letzter Sekunde gelang es mir, mich zu drehen, und der Stachel stach in meinen Rucksack. Ren blieb wie erstarrt stehen und wartete geduldig, bis ich mich gesammelt hatte.
    Keuchend und bibbernd richtete ich mich wieder auf. Es kam einem Wunder gleich, dass ich nicht gepfählt worden war. Als Ren ein winselndes Jaulen ausstieß, tätschelte ich ihm den Rücken. »Mir geht’s gut«, versicherte ich ihm.
    Ich hatte Glück gehabt, sehr viel Glück. Wir bewegten uns nun noch langsamer vorwärts und schließlich erreichten wir das andere Ende, zitternd, aber sicher. Ich brach auf dem Lehmboden zusammen und rieb mir stöhnend den steifen Hals.
    »Nach den Spitzen erscheinen einem die Käfer gar nicht mehr so schlimm. Wer weiß, was noch kommt. Hoffentlich nichts so Schlimmes, dass ich mich nach den tödlichen Stacheln zurücksehne!«
    Ren leckte mir über den Arm und ich kraulte ihm den Kopf.
    Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es weiter. Wir kamen an mehreren Weggabelungen vorbei, ohne dass etwas geschah. Ich war gerade dabei, mich ein wenig zu entspannen, als dröhnend ein Tor hinter uns herabsauste. Eine weitere Tür sank vor uns herab und wir rannten darauf zu, schafften es aber nicht rechtzeitig. Nun ja, Ren hätte es geschafft, aber er wollte wohl nicht ohne mich gehen.
    Auf einmal war ein Rauschen über unseren Köpfen zu hören, ein Klopfen gegen Rohre. In der Decke öffnete sich eine Platte und im nächsten Moment wurden wir von einem Wasserschwall zu Boden geworfen. Er löschte unsere Fackel und füllte rasch die Kammer. Das Wasser reichte mir bereits bis zu den Knien, als ich mich wieder aufrappelte. Ich zerrte den Reißverschluss am Rucksack auf und tastete blind. Als ich einen langen Stab fand, knickte ich ihn und schüttelte, und die Flüssigkeit darin begann zu glühen. Die Farbe verwandelte Rens weißes Fell in ein leuchtendes Gelb.
    »Was tun wir jetzt? Kannst du schwimmen? Es wird deinen Kopf zuerst erreichen!«
    Ren nahm wieder menschliche Gestalt an. »Tiger können schwimmen. Ich kann den Atem länger anhalten, wenn ich ein Tiger bin und kein Mensch.«
    Das Wasser reichte uns jetzt bis zur Hüfte. Hastig zog mich Ren an dem brausenden Rohr vorbei zur Tür vor uns. Als wir sie erreichten, musste ich bereits schwimmen. Ren tauchte unter, um nach einem Ausweg zu suchen.
    Sobald sein Kopf zum Vorschein kam, rief er: »Es gibt eine weitere Einkerbung an der Tür. Versuch, das Siegel hineinzudrücken und zu drehen, wie du es schon mal getan hast!«
    Ich nickte und nahm einen tiefen Atemzug. Unter Wasser suchte ich an der Tür nach der Einkerbung. Schließlich fand ich sie, doch ich hatte keine Luft mehr. Mit letzter Kraft kämpfte ich mich an die Oberfläche, wurde aber von dem schweren Rucksack und dem Siegel am Hals hinabgezogen. Ren streckte den Arm nach mir aus, packte meinen Rucksack und zerrte mich an die Wasseroberfläche.
    Wir trieben nun knapp unterhalb der Decke. Jede Minute würden wir ertrinken. Ich atmete mehrmals tief ein.
    »Du schaffst das, Kells. Versuch es noch mal.«
    Ich nahm einen letzten Atemzug und riss mir das Siegel vom Hals. Ren ließ meinen Rucksack los und ich tauchte wieder ab, schoss hinunter zum unteren Rand der Tür. Ich presste das Siegel in die Einkerbung und drehte erst in die eine, dann in die andere Richtung, doch es rührte sich keinen Millimeter.
    Ren hatte sich in einen Tiger zurückverwandelt und schwamm nun auf mich zu. Seine Pfoten pflügten durchs Wasser, und die Bewegung strich ihm das Fell aus dem Gesicht, was ihn unheimlich aussehen ließ, wie ein weiß gestreiftes Seeungeheuer. Das verzerrte Gesicht und die spitzen Zähne trugen das ihre bei. Die Luft ging mir wieder aus, doch ich wusste, dass sich die Kammer bis zur Decke gefüllt hatte und mir keine Wahl blieb.
    In meiner Panik kamen mir die schlimmsten Gedanken. Das ist also der Ort, an dem ich sterbe. Ich werde nie gefunden werden. Niemand wird ein Begräbnis für mich abhalten. Wie wird es sich anfühlen zu ertrinken? Es wird schnell gehen. Es dauert höchstens eine oder zwei Minuten. Meine Leiche wird sich aufblähen und für alle Ewigkeit angeschwollen neben Rens Tierkadaver umhertreiben. Würden die widerlichen Käfer hereinkommen und an mir nagen? Irgendwie wäre das schlimmer als der Tod selbst. Ren kann den Atem länger anhalten.

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