Kuss im Morgenrot: Roman
misslichen Umstände als für die anderer Leute. Und ich habe ein paar Fragen an dich, allen voran diese: Was ist in der Pause vorgefallen?«
Als Catherine schwieg, packte er sie behutsam, aber sicher am Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. »Raus damit!«
Sie warf ihm einen gequälten Blick zu. »Lord Latimer ist zu mir gekommen.«
Leos Augen verengten sich. Er ließ die Hand sinken. »Während du in der Loge warst?«
»Ja. Harry und Poppy konnten ihn nicht sehen. Er sprach durch den Vorhang mit mir, am hinteren Rand der Loge.«
Leo platzte beinahe vor Wut. Einen Augenblick lang fühlte er sich kaum noch in der Lage zu sprechen. Am liebsten wäre er zurückgefahren und hätte den Dreckskerl an Ort und Stelle niedergemetzelt. »Was hat er gesagt?«, fragte er barsch.
»Dass ich eine Prostituierte bin. Eine Heuchlerin.«
»Es tut mir leid, dass du dieser Situation ausgesetzt warst«, brachte er mit Mühe hervor. »Ich hätte dich nicht alleine lassen sollen. Ich hätte nicht gedacht, dass er es noch einmal wagen würde, dir nahe zu kommen, nachdem ich ihn neulich so deutlich gewarnt hatte.«
»Ich glaube, er wollte klarstellen, dass er sich von dir nicht einschüchtern lässt.« Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. »Und ich glaube, es hat damals seinen Stolz ganz schön verletzt, dass er für etwas bezahlt hat, was er nie bekam. Vielleicht könnte ich ihm von dem Geld, das Harry mir überschrieben hat, etwas zurückzahlen. Vielleicht würde ihn das schon besänftigen, und er würde mich in Zukunft in Ruhe lassen. Mit meiner Vergangenheit hinter dem Busch halten.«
»Nein, das würde nur dazu führen, dass er immer wieder aufs Neue versucht, uns zu erpressen. Und Latimer würde nie die Klappe halten. Hör zu, Cat … Harry und ich haben darüber gesprochen, wie wir das Problem lösen können. Möge dir der Hinweis genügen, dass sich Latimer schon in wenigen Tagen in einer Lage befindet, die ihn entweder ins Gefängnis bringt oder dazu zwingt, das Land zu verlassen.«
»Für welches Verbrechen?«, fragte sie, die Augen vor Erstaunen weit aufgerissen.
»Wir hatten die freie Wahl aus einer langen Liste«, erklärte Leo. »Er hat so gut wie alles ausprobiert. Und ich möchte dir lieber nicht erzählen, worum es bei dieser speziellen Rechtsverletzung geht, denn sie schickt sich nicht für die Ohren einer Dame.«
»Du kannst ihn dazu zwingen, England zu verlassen? Wirklich?«
»Ja, wirklich.«
Sie spürte, wie sie sich ein wenig entspannte und zum ersten Mal nach einer ganzen Weile die Schultern locker ließ. »Das wäre eine Erleichterung«, sagte sie. »Obwohl …«
»Ja?«
Catherine wandte das Gesicht ab, um seinem suchenden Blick auszuweichen. »Eigentlich spielt es keine Rolle. Denn was er gesagt hat, entspricht der Wahrheit. Ich bin eine Heuchlerin.«
»Was für ein selbstmitleidiger Unsinn! Du warst allenfalls eine Heuchlerin als aufstrebende Prostituierte. Als anständige und wohlgesittete Dame, die eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Frettchen ausübt, bist du absolut authentisch.«
»Nicht auf alle Frettchen. Nur Dodger.«
»Ein Beweis für seinen ausgezeichneten Geschmack.«
»Versuch jetzt nicht, charmant zu sein«, murmelte sie. »Es gibt nichts Ärgerlicheres, als wenn dich jemand versucht aufzumuntern, während du eigentlich nur in Selbstmitleid zerfließen möchtest.«
Leo verkniff sich ein Grinsen. »Es tut mir leid«, sagte er zerknirscht. »Bitte, mach weiter. Bade dich in Selbstmitleid. Du hast es so gut gemacht, bis ich dich unterbrochen habe.«
»Danke.« Sie atmete erleichtert auf und wartete eine Weile. »Verdammt! Jetzt kann ich es nicht mehr.« Ihre Finger verkrochen sich tiefer in seinen, und er streichelte mit dem Daumen über ihre Fingerknöchel. »Eine Sache will ich noch richtigstellen. Ich war nie eine aufstrebende Prostituierte.«
»Wonach strebtest du also?«
»Danach, ein friedvolles, sicheres Leben zu führen.«
»Das ist alles?«
»Ja, das ist alles. Und es ist mir bis heute nicht gelungen. Obwohl … so nahe dran wie die letzten paar Jahre war ich vorher noch nie.«
»Heirate mich«, sagte Leo, »und du kannst beides haben. Du bist in Sicherheit, und du kannst in Hampshire leben. Und du hast mich, was ganz offensichtlich das Sahnehäubchen auf dem Kuchen ist.«
Sie musste unwillkürlich lachen. »Mehr Sahne als einem Kuchen guttut.«
»Zu viel Sahne gibt es überhaupt nicht, Marks.«
»Mylord, ich glaube, viel wichtiger, als mich zu heiraten, ist es
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