Kuss im Morgenrot: Roman
noch einmal aus. Du wirst sehen, morgen fühlst du dich schon viel besser.«
»Dieser Tee schmeckt wie fauliges Wasser«, murrte Leo. »Und ich werde sicher nicht den ganzen Tag im Bett herumliegen.«
Cam sah ihn teilnahmsvoll an. »Ich verstehe dich, phral . Du fühlst dich nicht krank genug, um zu ruhen, aber es geht dir auch noch nicht so gut, dass du wirklich etwas tun kannst. Wie auch immer, du solltest deinem Körper die Möglichkeit geben zu heilen, sonst …«
»Ich werde jetzt nach unten gehen und ein ordentliches Frühstück zu mir nehmen.«
»Das Frühstück ist beendet, und das Büfett wurde bereits abgeräumt.«
Leo machte ein finsteres Gesicht und rieb sich die Augen. Die Schmerzen in der Schulter ließen ihn zusammenzucken. »Schick Merripen zu mir hoch, ich möchte mit ihm sprechen.«
»Er ist draußen bei den Pächtern, Steckrüben drillen.«
»Wo ist Amelia?«
»Sie kümmert sich um das Baby. Es bekommt Zähne.«
»Was ist mit Win?«
»Sie geht mit der Haushälterin die Vorräte durch und gibt Bestellungen auf. Beatrix bringt den älteren Cottagebewohnern in der Stadt Körbe mit Lebensmitteln. Und ich muss gleich einen Pächter besuchen, der seit zwei Monaten die Pacht nicht bezahlt hat. Ich fürchte, es ist niemand da, der dich ein wenig unterhalten könnte.«
Leo nahm die Information mit mürrischem Schweigen auf. Schließlich gab er sich einen Ruck und fragte nach der Person, die er eigentlich am liebsten sehen wollte. Die Person, die es nicht für nötig gehalten hatte, auch nur einmal nach ihm zu schauen oder sich nach seinem Wohlbefinden zu erkundigen, und das, nachdem sie ihm versprochen hatte, ihn zu beschützen. »Wo ist Marks?«
»Als ich sie zuletzt gesehen habe, war sie mit Handarbeit beschäftigt. Offenbar hat sich einiges an Flickarbeit angesammelt, und …«
»Das kann sie auch hier machen.«
Cam starrte ihn völlig verständnislos an. »Du möchtest, dass Miss Marks ihre Handarbeit in deinem Zimmer verrichtet?«
»Ja. Schick sie mir herauf.«
»Ich werde sie fragen«, erwiderte Cam skeptisch.
Nachdem er sich gewaschen und einen Morgenrock angelegt hatte, kehrte er wieder zurück ins Bett. Er war missgelaunt und zu seiner Verärgerung auch ziemlich wackelig auf den Beinen. Ein Hausmädchen brachte ein kleines Tablett mit einer einzelnen Scheibe Toast und einer Tasse Tee. Leo nahm sein Frühstück ein, während er verdrossen auf die leere Türöffnung starrte.
Wo war Marks? Hatte Cam ihr überhaupt Bescheid gesagt, dass er nach ihr verlangt hatte? Wenn ja, dann hatte sie offensichtlich entschieden, die Aufforderung zu ignorieren.
Hartherzige, gefühlskalte Hyäne. Und das, nachdem sie ihm versprochen hatte, die Verantwortung für ihn zu übernehmen. Sie hatte ihn überredet, das Zeug zu nehmen, und ihn dann hängenlassen.
Nun, jetzt wollte Leo sie auch nicht mehr. Sollte sie sich am Ende doch noch blicken lassen, würde er sie wieder fortschicken. Er würde verächtlich lachen und ihr sagen, dass keine Gesellschaft immer noch besser war, als sie hier zu haben. Er würde …«
»Mylord?«
Sein Herz machte einen Sprung, als er sie im Türrahmen stehen sah. Sie trug ein dunkelblaues Kleid, das Haar hatte sie wie gewohnt zu einem strengen Knoten hochgesteckt.
In einer Hand hielt sie ein Buch, in der anderen ein Glas mit einer weißlichen Flüssigkeit. »Wie geht es Ihnen heute Morgen?«
»Ich langweile mich zu Tode«, sagte Leo und warf ihr einen finsteren Blick zu. »Warum siehst du denn jetzt erst nach mir?«
»Ich dachte, Sie würden noch schlafen.« Sie betrat den Raum und ließ die Tür weit offen stehen. Dodger, das Frettchen, sprang hinter ihr her ins Zimmer. Nachdem er seinen langen, flauschigen Körper in die Höhe gereckt hatte, um seine Umgebung zu erkunden, verschwand er blitzschnell unter dem Toilettentisch. Catherine blickte dem Frettchen misstrauisch nach. »Wahrscheinlich einer seiner neuen Verstecke«, sagte sie und seufzte. Sie reichte Leo das Glas mit der trüben Flüssigkeit. »Trinken Sie das, bitte.«
»Was ist das?«
»Weidenrindenextrakt gegen das Fieber. Ich habe etwas Zucker und Zitrone hineingerührt, damit es ein bisschen besser schmeckt.«
Leo trank das bittere Gemisch und beobachtete Catherine, wie sie sich durch den Raum bewegte. Sie öffnete ein zweites Fenster, um noch etwas mehr von der frischen Brise hereinzulassen. Dann trug sie sein Frühstückstablett hinaus auf den Flur und gab es einem vorbeieilenden Zimmermädchen. Als
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