Kuss im Morgenrot: Roman
gerade zur Verbesserung seiner Laune beigetragen, dass ich ihm erzählt habe, dass wir den Ball bereits für den nächsten Monat geplant haben.«
Catherine rührte gewissenhaft Zucker in ihren Tee, als sie fragte: »Werdet ihr die Gäste wissen lassen, dass die Veranstaltung unter dem Vorzeichen steht, eine Braut für Lord Ramsay zu finden?«
Amelia grinste. »Nein, so unsensibel bin nicht einmal ich. Allerdings wird kaum zu übersehen sein, dass wir eine ganze Menge qualifizierter junger Damen eingeladen haben. Und natürlich ist mein Bruder ein erstklassiges Heiratsobjekt.«
»Ich habe keine blasse Ahnung, warum das so sein sollte«, murmelte Catherine und versuchte gleichgültig zu klingen, wenngleich sie im Innern völlig verzweifelt war.
Sie begriff, dass sie nicht bei den Hathaways würde bleiben können, wenn oder sobald Leo eine Braut fand. Sie könnte es im wahrsten Sinne des Wortes nicht ertragen, ihn mit einer anderen Frau zu sehen. Erst recht nicht, wenn er mit ihr glücklich sein sollte.
»Oh, das ist ganz einfach«, erwiderte Amelia verschmitzt. »Lord Ramsay ist ein Peer mit voller Haarpracht und vollständigem Gebiss, und er ist durchaus noch im zeugungsfähigen Alter. Und wenn er nicht mein Bruder wäre, würde ich wagen zu behaupten, dass er nicht gerade schlecht aussieht.«
»Er ist extrem gut aussehend«, protestierte Catherine gedankenlos und errötete, als Amelia ihr einen listigen Blick zuwarf.
Sie widmete sich ihrem Tee, knabberte an einem Frühstücksbrötchen und machte sich dann auf die Suche nach Beatrix. Es war Zeit für den morgendlichen Unterricht.
Catherine und Beatrix hatten sich auf einen täglichen Ablauf geeinigt. Sie begannen den Unterricht mit ein paar Lektionen über Etikette und gesellschaftliche Umgangsformen, um sich dann den Rest des Vormittags mit Geschichte, Philosophie und Naturwissenschaften zu befassen. Über die eigens auf junge Frauen zugeschnittenen Lektionen, die nur dazu dienten, geeignete Ehefrauen und Mütter aus ihnen zu machen, war Beatrix längst hinaus. Ja, Catherine hatte inzwischen das Gefühl, dass sie und Beatrix Studienkolleginnen waren.
Obwohl Catherine nie das Vergnügen gehabt hatte, die Hathaway-Eltern kennenzulernen, glaubte sie, dass beide, insbesondere Mr. Hathaway, über die Leistungen ihrer Kinder hocherfreut gewesen wären. Die Hathaways waren eine gebildete Familie, und jeder von ihnen war ohne Weiteres in der Lage, ein Thema oder eine Streitfrage auf einer theoretischen Ebene zu erörtern. Und die Geschwister teilten noch eine weitere Gabe: Sie waren gedanklich flexibel und in der Lage, Verbindungen zwischen scheinbar grundverschiedenen Themen zu ziehen.
Eines Tages beim Abendessen konzentrierte sich die Unterhaltung zum Beispiel auf die Nachricht von einer mit Dampf betriebenen Luftkutsche, die von einem Spulenhersteller aus Somerset namens John Stringfellow entworfen worden war. Natürlich funktionierte sie nicht, aber die Vorstellung war faszinierend. Im Laufe der Unterhaltung, die sich darum drehte, ob der Mensch jemals in der Lage sein würde, mit einer mechanischen Erfindung zu fliegen, hatten die Hathaways von der griechischen Mythologie über Physik, chinesische Drachen und das Tierreich bis zur französischen Philosophie und den Erfindungen Leonardo da Vincis alle erdenklichen Themen zur Sprache gebracht. Es hatte sie einiges gekostet, der Schwindel erregenden Diskussion zu folgen.
Insgeheim hatte sich Catherine Sorgen gemacht, dass derartige Gesprächsfeuerwerkerei potenzielle Bewerber um Poppy oder Beatrice abschrecken könnten. Und in Poppys Fall hatte sich die Neigung tatsächlich als problematisch erwiesen. Zumindest bis sie Harry über den Weg gelaufen war.
Doch als Catherine zu Beginn ihrer Anstellung versucht hatte, das Thema gegenüber Cam Rohan vorsichtig anzusprechen, hatte er ihr eine dezidierte Antwort gegeben.
»Nein, Miss Marks, versuchen Sie nicht, Poppy oder Beatrix zu ändern«, erklärte er ihr. »Es würde ohnehin nicht funktionieren und sie nur unglücklich machen. Bringen Sie den Mädchen bei, wie sie sich in der Gesellschaft verhalten müssen. Wie sie über nichts sprechen. Ganz nach der Art der Gadjos .«
»Mit anderen Worten«, sagte Catherine trocken, »Sie wollen, dass die beiden einen anständigen Eindruck machen, ohne aber tatsächlich anständig zu sein ?«
Cam hatte sich sichtlich über ihre Auffassungsgabe gefreut. »So ist es!«
Catherine begriff jetzt, wie recht Cam gehabt hatte.
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