Kuss mich kuss mich nicht
er mir noch mal verzeiht.«
»Und wenn er das tut, was dann?«
Liebe, Familie, die ganze Geschichte, dachte sie, sprach den optimistischen Gedanken aber vorsichtshalber nicht laut aus. Vor allem, weil es Grace bei ihrer Frage sicher nicht um das private Glück der Schwester ging.
»Du meinst, ob er dann noch immer kandidieren wird?«, fragte sie deshalb. »Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Er hat mir nämlich versprochen, dass er sich, wenn ich ihm die ganze Wahrheit sage, doch nicht um das Amt des Gouverneurs bewerben wird.«
Grace sah sie nachdenklich an. »Willst du wirklich, dass er diesen Traum begräbt? Du hast selbst gesagt, wie gern er kandidieren will.«
Solange Jack so wütend auf sie war, war es für eine Unterhaltung über ihrer beider Zukunft eindeutig zu früh. Trotzdem ging sie auf Graces Frage ein.
»Natürlich will ich nicht, dass er auf die Kandidatur verzichtet. Ich finde den Gedanken schrecklich, er würde das nur meinetwegen tun, und habe Angst, er könnte mir deswegen später irgendwann mal Vorhaltungen machen. Aber ich habe keine andere Wahl.«
»Doch, natürlich hast du die.«
Callie runzelte verwirrt die Stirn. Vielleicht verstand die Schwester das Ganze einfach nicht.
»Aber, Grace«, erklärte sie geduldig. »Wenn ich mit ihm zusammen bin und er sich für das Amt bewirbt, wird die ganze Welt von unserer Vergangenheit erfahren. Irgendein Reporter wird die Puzzleteile richtig zusammensetzen, und dann ist es heraus. Du findest das, was bisher über dich geschrieben wurde, schlimm? Verglichen mit den Schlagzeilen, die es dann geben würde, ist das alles der reinste Kinderkram.«
Grace bedachte sie mit einem ernsten Blick. Und sagte dann etwas völlig Überraschendes.
»Vielleicht. Aber ich habe einfach keine Lust mehr, das Geheimnis unseres Vaters zu bewahren. Du etwa?«
Callie rang nach Luft. Für das Zusammensein mit Jack nähme sie sogar die Enthüllungen der Medien in Kauf. Aber weshalb sollte Grace sich etwas Derartiges antun? Sie konnte dadurch nichts gewinnen, dagegen sehr viel von dem verlieren, was ihr bisher wichtig gewesen war.
Callie schüttelte den Kopf. »Aber die Konsequenzen für dich und deine Mutter wären … unabsehbar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du dir das antun willst.«
Grace blickte auf Ross.
Und drehte sich wieder zu Callie um. »Zu einem anderen Zeitpunkt wäre ich vielleicht nicht stark genug gewesen, um mit so was umzugehen. Allerdings hat sich mein Leben verändert, und ich selbst mich auch. Dank des Erfolgs der diesjährigen Gala ist meine Position in der Hall Foundation dauerhaft gesichert. Und vor allem gibt es einen Mann in meinem Leben, der sich vor nichts fürchtet und mich wirklich liebt.«
Ross streckte den rechten Arm aus und nahm ihre Hand.
»Und ich habe dich, Callie.« Grace legte eine kurze Pause ein. »Unser Vater hat uns beide hintergangen, und ich konnte ihn deshalb noch nicht einmal zur Rede stellen, weil er mich bis zu seinem Todestag belogen hat. Deshalb habe ich kein Interesse mehr daran, ihn zu beschützen, vor allem nicht, wenn ich bedenke, welchen Einfluss andauerndes Schweigen auf dein und auf Jacks Leben hat. Lass uns die Wahrheit sagen. Lass uns endlich die gottverdammte Wahrheit sagen. Wir werden diesen Sturm gemeinsam überstehen, und dann sind wir endlich frei.«
»Das würdest du wirklich für mich tun?«, wisperte Callie mit belegter Stimme.
Graces Augen blitzten auf. »Für dich auf jeden Fall. Ich habe nichts zu verbergen. Ich bin nämlich furchtbar stolz darauf, dass du meine Schwester bist.«
Callie warf sich die Hände vor den Mund und kniff die Augen zu. Dass die Halbschwester sie derart unterstützen und auf diese Weise zu ihr stehen würde, hätte sie nie auch nur zu hoffen gewagt.
Sie spürte, dass ihr Grace über die Haare strich, konnte ihr aber noch nicht wieder in die Augen sehen.
»Wir sind eine Familie, Callie. Was heißt, dass wir zusammenhalten, ganz egal, was auch geschieht.«
Familie.
Als Callie wieder sprach, hatte ihre Stimme einen rauen Klang. »Er hat sich so für mich geschämt. Meistens konnte er mich nicht mal ansehen, wenn er bei uns war. Als er noch am Leben war, habe ich ständig in der Angst gelebt, dass jemand die Wahrheit herausfände, denn dann hätte er sich wahrscheinlich noch mehr von uns entfernt. Und nachdem ich dir begegnet war, hatte ich Angst, auch dich irgendwann wieder zu verlieren.«
»Das wird ganz sicher nicht passieren. Ich lasse dich ganz
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