Kussen hat noch nie geschadet
Gott dem Menschen ein Gehirn und die Intelligenz geschenkt hatte, eigene Entscheidungen zu treffen. Die schlechten Entscheidungen, die man traf, waren Bestandteil eines lebenslangen Lernprozesses.
Fast zwei Jahre lang hatte Autumn ihr Leben auf Eis gelegt, um sich um ihre Mutter zu kümmern, und hart gekämpft. Meist härter als Joyce selbst, letzten Endes hatte allerdings nichts geholfen. Sie haderte nicht mit ihrer Entscheidung, ihre Mutter zu pflegen. Sie liebte ihre Mom und vermisste sie jeden Tag. Sie hatte in ihrem Herzen, in ihrem Leben und in ihrer Familie eine bleibende Lücke hinterlassen, und wenn Autumn die Wahl hätte, würde sie es wieder tun. Das müsste sie sich nicht zwei Mal überlegen.
Aber jetzt … Jetzt herrschte in ihrem Leben eine große Leere. Vince war weg, sie stand ganz allein da und musste sich überlegen, was sie mit dem Rest ihres Lebens anstellen wollte. Sie konnte zurück an die Uni gehen und ihren Abschluss als Diplomkauffrau nachholen. Vor der Krebserkrankung ihrer Mutter war sie als Teilzeitstudentin an der Universität von Idaho eingeschrieben gewesen und hatte zwei Nebenjobs gehabt. Tagsüber bei einem Floristen und abends als Serviererin für einen Catering-Betrieb. Ihr hatten beide Jobs Spaß gemacht, und sie hätte nichts dagegen, sie wieder aufzunehmen, wenn sie ihr Studium fortsetzte.
Da Autumns Finger schon ganz schrumpelig wurden, zog sie den Badewannenstöpsel heraus. Sie griff nach einem Handtuch und sah dabei auf ihre Uhr, die neben dem Waschbecken lag. Es war halb sechs. Eine Stunde und zehn Minuten, seit sie Sams Suite verlassen hatte, und das Telefon hatte nicht geklingelt.
Es klingelte auch nicht, als sie sich mit einer Lotion einrieb, die nach Kokosnuss duftete, oder als sie in einen kuschelweichen Hotel-Bademantel schlüpfte. Genauso wenig, als sie sich die Zähne putzte und sich die Haare fönte. Sie musste davon ausgehen, dass sie Sam nicht wiedersehen würde. Doch das war in Ordnung. Sie hätte zwar nichts dagegen gehabt, aber sie hatte ja noch ihre To-do-Liste, auf der als nächster Punkt eine nächtliche Achterbahnfahrt im New York New York stand.
Als sie aus dem Bad kam, fuhr sie zusammen, denn jemand hämmerte an die Tür. Sie fasste sich vor Schreck an ihr dumpf schlagendes Herz, spähte durch den Spion und sah Sam in Jeans und einem schwarzen Polohemd im Flur stehen. Sie biss sich auf die Innenseiten der Wangen, um sich ein Lächeln zu verkneifen. »Hast du dich verlaufen?«, fragte sie, während sie ihm die Tür öffnete.
Er legte den Kopf schief. »Du bist nicht angezogen?«
»Ich komme gerade aus der Badewanne.« Sie ließ ihn ins Zimmer und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür.
Ein reueloses Lächeln umspielte seine Lippen. »Ich hatte gehofft, dich noch nackt anzutreffen.« Damit senkte er den Mund auf ihren und schob die Hand in ihren Bademantel. Er umfasste ihre Brust, und sie blieben bis zum nächsten Morgen bei ihr. Sie ließen sich vom Zimmerservice mit Essen und einer DVD versorgen und blieben im Bett. Zwischen kleinen Häppchen Lammfleisch mit Minzekruste erfuhr sie, dass Sam in Seattle lebte und für die Chinooks Eishockey spielte. Autumn wusste nicht viel über Eishockey, aber dass Sam Profisportler war, erschien ihr angesichts seiner Muskeln und seiner unglaublichen Ausdauer nur logisch. Außerdem machte es ihre gemeinsame Zeit intensiver. Sie glaubte zwar nicht, dass ihre Freundschaft, oder was das zwischen ihnen auch war, länger als bis zum nächsten Morgen andauern würde, geschweige denn über ihren Aufenthalt in Las Vegas hinaus. Doch allein schon zu wissen, wer er war, was er war, erstickte jeden Gedanken an eine längere Beziehung bereits im Keim. Auf dem College hatte sie einmal einen Footballspieler zum Freund gehabt, der sie für eine Cheerleaderin abserviert hatte. Sportler entschieden sich letztlich immer für Cheerleaderinnen, Mädchen aus elitären Studentinnenverbindungen oder für Starlets.
Während ihres Las-Vegas-Aufenthalts wollte sie einfach nur die Zeit mit Sam genießen, so lange es eben dauerte. Sie mochte ihn. Er war unkompliziert und unbeschreiblich gut im Bett. Oder in der Badewanne. Auf dem Fußboden oder im Stehen gegen die Wand. Er stellte Dinge mit dem Mund an, die sie zum Schreien brachten, und irgendwann, wenn sie steinalt und kaum noch in der Lage wäre, ihren Rollator über den Flur eines Pflegeheims zu schieben, würde sie sich an ihre leidenschaftliche Woche in Las Vegas mit einem
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