Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kusswechsel

Kusswechsel

Titel: Kusswechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Evanovich
Vom Netzwerk:
ein Stück Kuchen gegessen habe.«
    Wortlos machte meine Mutter kehrt, marschierte in die Küche und schnitt mir einen Keil aus dem Kuchen.
    Ich ging hinter ihr her. »Noch Eiskreme«, sagte ich.
    Sie löffelte einen halben Eimer Eis auf meinen Teller, trat zurück und musterte mich scharf. »Blut«, konstatierte sie.
    »Nicht von mir.«
    Sie bekreuzigte sich.
    »Und Eddie kommt ganz bestimmt durch.«
    Wieder bekreuzigte sie sich.
    Am Esstisch waren extra Plätze für Grandma und mich freigemacht worden. Ich setzte mich hin und schlang das Eis hinunter. Grandma holte noch einen Stuhl für Sally aus der Küche und machte sich daran, das Essen aufzutun. Die übrige Familie versammelte sich stumm um den Esstisch. Nur mein Vater war aktiv, saß mit gesenktem Kopf da und schaufelte Hühnchen und Kartoffelbrei in sich hinein. Alle anderen hockten mit offenen Mündern und weit aufgerissenen Augen stocksteif auf den Stühlen und wussten nicht, was sie mit mir anfangen sollten, mit dem Blut auf meinem Hemd … und mit Sally und seinen Ohrringen.
    »Sally kennt ihr doch noch, oder?«, fragte Grandma in die Runde und stellte ihn vor. »Er ist ein berühmter Musiker, und manchmal ist er ein Mädchen. Er hat viele hübsche Kleider und Stöckelschuhe und Make-up. Er hat sogar ein Mieder aus schwarzem Leder mit kegelförmigen spitzen Büstenhaltern, wie zwei Eiswaffeln. Wenn er das Mieder anhat, fällt sein Brusthaar kaum auf.«

3
    »Wieso ist er manchmal ein Mädchen?«, wollte Mary Alice wissen.
    Mary Alice geht in die dritte Klasse und ist zwei Jahre jünger als ihre Schwester Angie. Mary Alice kann Fahrrad fahren, sie kann Monopoly spielen, wenn ihr jemand hilft, die Ereigniskarten zu lesen, und sie kann die Namen der Rentiere vor Santa Claus’ Schlitten auswendig hersagen. Was Geschlechterwechsel betrifft, ist sie noch ein bisschen hinterher.
    »Ich verkleide mich einfach als Mädchen«, sagte Sally.
    »Das gehört zu meiner Bühnenfigur.«
    »Ich möchte mich als Pferd verkleiden«, sagte Mary Alice.
    Angies Blick fiel auf Sallys Handgelenk. »Warum tragen Sie das Gummi?«
    »Ich will mit dem Fluchen aufhören«, sagte Sally. »Jedes Mal, wenn ich fluche, ziehe ich an dem Band und lasse es zurückschnellen. Auf diese Weise soll einem das Fluchen ausgetrieben werden.«
    »Sie brauchen doch nur einfach ein anderes Wort als das Schimpfwort zu sagen«, meinte Angie. »Etwas, was sich so wie das Schimpfwort anhört.«
    »Ich hab’s!«, sagte Grandma. »Scheibe. Sie sagen einfach immer Scheibe.«
    »Scheibe«, wiederholte Sally. »Ich weiß nicht … Da komme ich mir komisch vor, wenn ich Scheibe sage.«
    »Was ist das eigentlich für rotes Zeug auf Tante Stephanies T-Shirt?«, wollte Mary Alice wissen.
    »Blut«, sagte Grandma. »Wir sind in eine Schießerei geraten. Es wurde keiner verletzt, aber Stephanie hat bei Eddie Gazarra erste Hilfe geleistet. Er wurde zweimal getroffen, und sein Blut ist überall hingespritzt.«
    »Ih!«, kreischte Angie.
    Valeries Freund Albert Kloughn, mit dem sie zusammenlebt, saß neben mir. Er sah meinen blutverklebten Arm und fiel in Ohnmacht.
Plumps
!
,
sackte er vom Stuhl.
    »Scheiße, Mann, der ist ohnmächtig geworden«, sagte Sally. »Oh, oh, Scheibe, Scheibe.« Und
klatsch.
    Ich hatte mein Stück Kuchen aufgegessen, deswegen ging ich in die Küche, um mich sauber zu machen. Besser wäre gewesen, ich hätte mich sauber gemacht, bevor ich mich an den Tisch setzte, aber die Sucht nach einem Stück Kuchen war stärker gewesen.
    Als ich ins Esszimmer zurückkam, saß Albert wieder an seinem Platz. »Ich bin nicht empfindlich oder so«, sagte er.
    »Ich bin nur vom Stuhl gerutscht. Ein Versehen.«
    Albert Kloughn ist knapp eins siebzig groß, hat einen rotblonden Haarschopf, in dem sich allmählich das typisch männliche Muster von kahlen Stellen abzeichnet, ein pausbäckiges Gesicht und den Körper eines Zwölfjährigen. Er ist so was Ähnliches wie ein Anwalt – und der Vater von Valeries Baby. Eigentlich ist er ein ganz netter Kerl, aber er wirkt eher wie ein Schoßhündchen und nicht wie ein zukünftiger Schwiegersohn. Seine Praxis liegt neben einem Waschsalon, und er gibt mehr Wechselgeld als Rechtsberatung.
    Es klopfte leise, die Haustür ging auf, und Joe trat herein. Sofort wetzte meine Mutter los, um einen zusätzlichen Teller zu holen, obwohl sie noch gar nicht wusste, wo sie ihn hinstellen sollte. Selbst mit Ausziehplatte konnten an dem Tisch nur acht Personen sitzen, und mit Joe

Weitere Kostenlose Bücher