Kusswechsel
dicke Menschen. Das Essen ist nämlich 1A in Trenton.
Aus dem Schlafzimmerfenster meines eigenen kleinen Apartments hingegen schaut man direkt auf einen asphaltierten Parkplatz. Das Mietshaus wurde in den Siebzigerjahren hochgezogen und besitzt nicht den geringsten Charme, nicht die kleinste Annehmlichkeit. Meine Inneneinrichtung könnte auch aus irgendeinem besseren Studentenwohnheim stammen. Einrichten braucht Zeit und Geld. Und ich habe weder das eine noch das andere.
Eigentlich also unverständlich, warum mir meine alte Wohnung fehlen sollte, aber ehrlich gesagt, hatte ich manchmal schon Sehnsucht nach dem olivgrün und senffarben gestrichenen Badezimmer, dem Haken im Flur, an den ich immer meine Jacke aufhänge, nach den Küchengerüchen und dem Lärm der Fernsehgeräte aus den Nachbarwohnungen.
Es war neun Uhr morgens, und Morelli war schon aus dem Haus, die Bösen aus der Stadt verjagen, das Volk beschützen. Ich spülte meine Kaffeetasse aus und stellte sie in das Abtropfgestell. Dann tippte ich mit dem Finger an Rex’ Käfig und sagte ihm, ich wäre bald wieder da. Ich umarmte Bob und ermahnte ihn, er solle brav sein und keine Stühle fressen. Danach musste ich erst mal mit dem Fusselroller über meine Jeans gehen. In dem Moment klingelte es.
»Hallöchen«, begrüßte mich Grandma Mazur, als ich ihr die Tür öffnete. »Ich war gerade in der Gegend spazieren, und da habe ich mir gedacht – schau ich doch mal auf einen Kaffee vorbei.«
»Das ist aber ein weiter Spaziergang.«
»Deine Schwester kam gleich heute früh mit der Wäsche, da wurde es mir zu eng zu Hause.«
»Ich wollte gerade gehen«, sagte ich zu Grandma. »Ich muss heute Morgen einige Leute abholen.«
»Ich könnte dir dabei helfen. Deine Assistentin sein. Das kann ich richtig gut. Ich kann Leuten ganz schön Angst einjagen, wenn ich will.«
Ich schnappte mir meine Umhängetasche und die Jeansjacke. »Eigentlich brauche ich gar keinen zum Angstmachen, aber du kannst mitkommen, wenn du unbedingt willst. Als Erstes geht es ins Büro, die Mädels begrüßen, dann hole ich Sally ab, damit er einen neuen Gerichtstermin vereinbaren kann.«
Grandma kam hinter mir her durch die Haustür nach draußen auf die Straße. »Ein rassiges Auto«, sagte sie, als ihr Blick auf den Buick fiel. »Wenn ich darin fahre, komme ich mir immer vor wie so ein Gangster von früher.«
Ich komme mir eher ausgeraubt vor, da ich das Benzin bezahlen muss. Kein Auto der Welt schluckt so viel Benzin wie der Buick.
Lula stand schon in der Tür, als ich vor dem Kautionsbüro anhielt. »Du brauchst gar nicht erst versuchen, deinen Straßenkreuzer einzuparken«, sagte sie. »Wir hatten einen Notruf. Die Kartoffelchipslady, du weißt schon. Sie hat einen Zusammenbruch erlitten. Connie hat gerade mit ihrer Schwester telefoniert. Sie meint, wir sollten hinfahren und mal gucken, was Sache ist.«
Manchmal fällt meine Arbeit unter die Rubrik Verhütungsmaßnahmen. Wenn man weiß, dass im Leben eines Kautionsnehmers etwas schief läuft, ist es besser, sich ab und zu mal bei ihm zu melden, statt darauf zu warten, dass er das Weite sucht.
»Hallo, wen haben wir denn da?«, sagte Lula und spähte durch das Autofenster. »Grandma an Bord.«
»Ich helfe Stephanie heute Morgen«, sagte Grandma.
»Was ist denn eine Kartoffelchipslady?«
»Die Frau hat einen Frito-Lay-Lieferwagen überfallen«, sagte Lula. »Und dann hat sie alle Chips vertilgt.«
»Wie schön«, sagte Grandma. »Das wollte ich schon immer mal machen.«
Lula erklomm den Rücksitz. »Ich auch«, sagte sie. »In diesen Pornoblättchen liest man immer nur über Sexfantasien und so, aber ich finde ja, was es wirklich bringt, sind Chipsfantasien.«
»Ich hätte nichts dagegen, die beiden zu kombinieren«, sagte Grandma. »Zum Beispiel, ein gut aussehender nackter Mann, der einen mit Chips füttert.«
»Niemals!«, sagte Lula. »Ich will beim Chipsessen nicht von irgendwelchen Männern abgelenkt werden. Ich esse sie lieber mit Dip. Für Chips mit Dip könnte ich mich vergessen.«
»Man muss Prioritäten setzen«, sagte Grandma.
»Erkenne dich selbst«, erwiderte Lula. »Das hat mal jemand Berühmtes gesagt. Ich weiß nur nicht mehr wer.«
Ich fuhr die Hamilton entlang bis zur Klockner, an der Highschool von Hamilton Township vorbei, und gelangte in das Viertel, in dem Cantell wohnte. Auf der Veranda vor ihrem Haus stand eine Frau. Als sie uns drei aus Big Blue hervorquellen sah, stutzte sie.
»Hat
Weitere Kostenlose Bücher