Kusswechsel
ich hatte solchen Hunger, dass ich ins Polster hätte beißen können. Ich rief Lula an, sagte ihr, dass ich in der Hancock stünde, und bat sie, mir irgendwas Fettarmes zu essen mitzubringen.
Fünf Minuten später schloss der Firebird hinter mir auf, und Lula stieg aus. »Was ist los?«, fragte sie und gab mir eine braune Packpapiertüte. »Habe ich was verpasst?«
»Ich sitze hier und will sehen, ob Lauralene heute Abend eine Verabredung hat.«
Ich sah in der Tüte nach. Sie enthielt eine Flasche Wasser und ein hart gekochtes Ei.
»Du musst die Kohlenhydrate meiden«, sagte sie. »So habe ich mein Gewicht verloren. Ich habe eine Proteindiät gemacht. Dann hatte ich aber einen Rückfall und habe alles Gewicht wieder zugelegt. Trotzdem war das meine Lieblingsdiät, nur das eine Mal nicht, als ich ein Kilo Schinken gegessen hatte und alles wieder ausgekotzt habe.«
Ich aß das Ei und trank das Wasser. Ich überlegte, ob ich auch die Tüte essen sollte, aber ich hatte Angst, sie könnte kohlehydrathaltig sein.
»Ich bleibe besser bei dir – es könnte ja etwas Gefährliches passieren. Vielleicht brauchst du mich, um jemanden zu zermanschen«, sagte Lula.
Ich sah sie von der Seite an. »Du hast wohl nichts Besseres zu tun.«
»So gut wie gar nichts. Eine Arbeit aufgehört, mit der anderen noch nicht angefangen. Und in der Glotze läuft auch nichts.« Sie holte ein Kartenspiel aus der Tasche. »Hast du Lust, Rommee zu spielen?«
Um sechs Uhr sagte Lula, sie müsste mal aufs Klo. Sie fuhr mit ihrem Firebird los und kam eine halbe Stunde später wieder. Auf ihrer Bluse klebte Puderzucker.
»Du hast vielleicht Nerven!«, sagte ich. »Kaufst heimlich was zu essen und bringst mir nicht mal was mit. Das finde ich hundsgemein.«
»Du machst ja auch eine Diät.«
»Aber keine Fastendiät!«
»Erst wollte ich zu Hause vorbeifahren, um da aufs Klo zu gehen, aber unterwegs habe ich gedacht, ich könnte doch genauso gut auch das Klo bei Dunkin’ Donuts benutzen. Nur sollte man dafür anstandshalber schon ein paar Doughnuts kaufen, oder?«
Ich machte ein italienisches Handzeichen, das so aussah wie links abbiegen. Bedeuten tat es etwas anderes.
»Mann, bist du empfindlich, wenn du deinen Doughnut nicht kriegst«, sagte Lula.
Knapp eine Stunde später war die Straßenbeleuchtung eingeschaltet, und die Hancock Street hatte sich für die Nachtruhe zurechtgemacht. Lula und ich konnten schlecht im Dunkeln Karten spielen, deswegen gingen wir über zu Personenraten.
»Ich habe mir eine Person überlegt. Sie hat was Tierisches«, sagte Lula. »Mein Hintern ist eingeschlafen. Wieso bist du dir eigentlich so sicher, dass Lauralene heute Abend noch eine Verabredung hat?«
»Sie hat Neuigkeiten für Anton, und ich gehe jede Wette ein, dass sie ihn damit herlocken will.«
Im selben Moment öffnete sich die Haustür der Taylors, und Lauralene trat heraus.
»Du bist ganz schön clever«, sagte Lula. »Dein Denkapparat ist ständig in Bewegung. Und du kennst dich bestens mit den ganzen typisch weiblichen Tricks aus.«
Lauralene sah nach rechts und links, und für einen Moment erstarrten Lula und ich vor Angst. Wir standen nur ein paar Häuser weiter, voll in ihrem Blickfeld. Zum Glück brannte über uns keine Straßenlaterne, und Lauralene hatte uns anscheinend nicht bemerkt. Sie trug noch immer denselben rosa Jogginganzug, sie hatte keine Handtasche dabei, und sie marschierte die Straße hinunter, von uns weg.
»Sie trifft sich mit ihm«, sagte Lula. »Und sie will nicht, dass Mama es erfährt.«
Lauralene bog um die Ecke, und ich ließ den Motor an, die Scheinwerfer ließ ich lieber ausgeschaltet. Vorsichtig folgte ich Lauralene. Sie ging zwei Häuserblocks weit und stieg dann in ein geparktes Auto hinten ein. Das Auto stand ganz im Dunklen, schwer zu sagen, welche Marke es war, und die Insassen waren aus der Entfernung unmöglich zu erkennen. Es sah aus wie ein Kompaktwagen, vielleicht dunkelgrün.
Ich hielt ein Stück weiter hinten am Straßenrand an. Es waren dort keine anderen Autos geparkt, zwischen Lauralene und mir war alles frei.
»Ganz schön auffällig, wie wir hier parken«, sagte Lula.
»Sie braucht sich nur umzudrehen, und schon hat sie uns gesehen.«
Das musste ich zugeben, aber ich wollte nicht an Lauralene vorbeifahren und das Risiko eingehen, dass sie mich wiedererkannte. Nach einiger Zeit fing das Auto vor uns an, auf und ab zu hüpfen.
»Jetzt sieh sich einer das an«, sagte Lula. »Sie ist im
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