Kutath die sterbende Sonne
Aufmerksamkeiten und nicht mehr zu ihrer Leistung verpflichtet, widmete sich Suth der weitschweifigen Erwägung von Alternativen.
Mit den Menschen verhandeln und dadurch die Möglichkeit erlangen, die Mission mit Nahrung zu versorgen?
Kochs Begründungen nagten an ihm – diese blinde, menschenhafte Sturheit.
Bezüglich des Vergessens... Wir gebrauchen es mit vielen Bedeutungen, Bai Suth.
Exaktes Vergessen?
Das bewußte Auslöschen von Daten?
Man konnte die eigene Wirklichkeit und alle kommenden Zeiten verändern. Stand das mit dem Zukunftsgedächtnis und dem Vorstellungsvermögen dieser Wesen in Zusammenhang?
Suth erschauerte.
* * *
»Essen«, hauchte Melek begierig, während er die Hüllen der Nahrungspäckchen aufriß. Seine Finger waren beinahe taub: die Kälte kroch überall hinein, trotz der Kleidung der Junglinge und der Biokuppel, die mit ihrem Bodenbelag und den lichtdurchlässigen Wänden versuchte, ihnen in ihrer Basis ein gewisses Maß an Bewegungsraum zu bieten. Vier Fähren umstanden die Kuppel und waren schwach sichtbar im Dämmerlicht, wo der Beckendunst dem Tagesanbruch die Farbe der Milch verlieh, wo der Schatten eines Seeberges körperlos und lavendelfarben über dem Dunst schwebte. Alle Junglinge vermieden es soweit wie möglich, nach außen zu blicken: die Ebenheit, sie war nicht so schlimm; aber der öde Sand, die ewige Leere, die Farbe der Erde und ihre Fremdartigkeit... das war schrecklich. Das regelmäßige dumpfe Pochen des Kompressors maß ihre Existenz innerhalb der luftgestützten Kuppel. An und für sich war die Luft geheizt, aber die Nächte, die entsetzlichen Nächte, wenn die Sonne sank und aus der Himmelsmitte verschwand... brachten Kälte, und furchteinflö- ßendes Winden und Drehen griff den Boden der Biokuppel an, das Leben von Kutath auf der Suche nach Feuchtigkeit und Wärme. Sie trugen Schuhe, wenn sie zu den Schiffen hinaus mußten, beeilten sich und zitterten unter den gleitenden Peitschen und Schnü- ren und Tentakeln, die versuchten, sie aufzuhalten und in ihre Anzüge und Eingänge einzudringen.
Jetzt waren zwei weitere Verlustlinge zu ihnen geschickt worden. Melek kaute auf den Konzentraten, und sein Zittern ließ etwas nach. Sein Kamerad Pegagh hockte da und kaute auf Soi-Nüssen, während die Neuankömmlinge sich zu ihnen setzten. Magd und Hab waren ihre Namen, und sie waren Alagn wie Pegagh. Melek, vom Doch Geleg, betrachtete sie alle mit Argwohn, und seine beiden Herzen hämmerten unter dem dumpfen Schrecken, daß sie zu lange hier festgehalten werden würden, daß seine Berechnungen nicht genau genug waren, und daß man ihn nicht schätzte und ehrte, weil er aus einem anderen Doch als Alagn stammte – ganz im Gegenteil. Melek redete nicht darüber, gewiß nicht mit ihnen; und er beschwerte sich nicht, genau wie Pegagh: man wußte nie genau, in wessen Ohren solche Beschwerden gelangen konnten, wenn sie überlebten. Bei solchen Gedanken spürte Melek eine Schwellung in der Kehle, die das Schlucken erschwerte. Sie flogen ihre Missionen genau so, wie man es ihnen befohlen hatte, und sendeten das Band des Ältesten über das weite flache Nichts.
In ihrer Verlassenheit hofften sie, heimgeholt und gefüttert und getröstet zu werden.
Sie waren jetzt zu viert.
Insgesamt waren es zehn Fähren, und vier davon saßen hier. Zwei weitere, die herabkamen, konnten nicht genug Vorräte bringen, damit sich der Flug lohnte: dann würden sechs verlassen hier unten stehen... eine Frage verminderter Rückflüge. Es würde keine weiteren Vorräte geben. Melek machte sein Berechnungen mit innerlicher Panik.
Durchführen.
Befehlen exakt gehorchen.
Auf Gunst und Leben hoffen.
Es war alles, was sie hatten.
13
Duncan bot einen Anblick, der in jeder Situation kläglich gewirkt hätte. Nackt und im Tageslicht sah er sogar noch trauriger aus, während er sich mit Sand schrubbte, um sich von Blut und Schmutz zu reinigen. Niun tat dasselbe bei sich; sie beide befanden sich allein am Rand des Lagers, wo eine leichte Bodenwellung ihnen ein gewisses Maß Abgeschiedenheit gewährte und der Wind ungehindert blies. Er rieb sich Staub in die Mähne und schüttelte sie, bis er wieder heraus war, schrubbte sich die Haut, bis sie stach, und suchte dann rasch die Wärme sauberer Gewänder, im Wind zitternd.
Duncan vollzog an sich dasselbe, wenn auch seine haarbedeckte Haut den Sand nicht so leicht wieder loswurde und das Kopfhaar dazu neigte, den Staub zu halten. Jedoch mühte er sich
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