Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
der Zeit nicht unseren Beschäftigungen nachgehen können. Oder große Umwege machen müssen.«
»Ach, Carlo, die Leute in der Stadt werden uns jetzt sowieso nicht beschäftigen. Dazu haben sie viel zu viel Schiss, dass wir sie verseuchen.«
»Ihr arbeitet für die Civitates?«, fragte ich verdutzt.«
»Sicher, Dreckarbeit muss immer erledigt werden.«
Es wurde immer abenteuerlicher, was ich hier erfuhr. Und der Gleichmut, mit dem die Subcults all das ertrugen, überraschte mich erneut. Ich schwieg.
»Okay, haben wir genug Vorräte?«, fragte Ria.
Jemand anders bestätigte das, und man zerstreute sich wieder.
Neben mir tauchte Reb auf.
»Geh in mein Quartier, und pack deine Sachen, Princess. Ich bring dich nach Hause.«
»Das tust du auf gar keinen Fall«, entfuhr es mir, und ich wunderte mich selbst darüber.
»Du kannst nicht bleiben, die Gefahr ist ziemlich real, dass du dich ansteckst.«
»Mir ist das egal, weißt du.«
»Princess, mag ja sein, dass deine komische Krankheit ausgebrochen ist, aber noch lebst du. Und du kannst zurück.«
»Ich will aber nicht. Außerdem: Gegen Masern bin ich geimpft und gegen jeder andere dämliche Krankheit auch. Nur gegen meinen Gendefekt nicht.«
»Princess, hier wird es bald ungemütlich.«
»Falsch, Reb, hier ist es ungemütlich.«
»Dann pack deine Sachen!«
»Ich lass mir von dir doch nicht vorschreiben, was ich tun soll.«
»Das wirst du müssen. Schließlich habe ich dich hergebracht. Und jetzt bringe ich dich wieder zurück.«
»Das wirst du nicht! Du hast mir gar nichts zu befehlen!«
»Oh doch, Princess. Die Zeit drängt. Noch ist der Weg frei.«
»Männer haben nichts zu sagen!«
»Ach nee?«
Er stand vor mir und hatte die Hände zu Fäusten geballt, seine Augen funkelten mich an. Einen Moment lang herrschte wütendes Schweigen zwischen uns, dann packte er meinen Arm und wollte mich Richtung Ausgang schieben.
Ich holte aus und schlug nach ihm.
Er fing meine Hand ab.
»Du haust wie ein Mädchen«, spöttelte er.
Eine andere Frau trat zwischen uns. Eine zierliche schwarzhaarige Frau mit einer gezackten Narbe auf der Stirn.
»Schluss damit!« Sie drängte mich einige Schritte nach hinten, und als ich den Tisch in meinem Rücken spürte, sagte sie leise: »Leg dich nicht mit Reb an. Er ist schnell wie eine Viper. Und wenn du schon zuschlagen willst, dann mit geschlossener Faust und nie aufs Kinn, sondern auf die Nase.«
Ich sackte zusammen. Ich hatte mich doch tatsächlich dazu hinreißen lassen, Gewalt anzuwenden.
Reb beobachtete uns, zuckte mit den Schultern und meinte: »Ich pack deine Sachen.« Dann ging er fort.
»Das wirst du nicht!«, schrie ich ihm hinterher.
Er sah sich nicht um.
Die Frau hielt mich fest.
»Wir haben schon zwei Kranke in der Nachbarschaft, Mädchen. Wenn du noch eine andere Möglichkeit hast, zu deinem Zuhause zurückzukehren, dann tu es jetzt.«
»Ich will aber nicht.«
»Was willst du denn, Junora?«, fragte sie leise.
Junora – sie wusste also, dass ich zu den Electi gehörte.
Um mich zu beruhigen, atmete ich einmal tief ein.
»Ich will in die Reservate.«
»Gute Idee.«
»Wirklich?«
»Ja, für dich ist das besser. Für Reb vielleicht auch. Er gerät hier ständig in Schwierigkeiten.« Und dann lächelte sie. »Was nicht heißt, dass ihm das dort nicht passieren wird. Aber du scheinst einen gewissen Einfluss auf ihn zu haben, Junora. Nutze ihn vorsichtig.«
»Einfluss? Auf Reb?«
»Er tut normalerweise so, als ginge ihn alles nichts an. Aber du ärgerst ihn. Lass ihn eine Weile allein, und mach dich hier nützlich. Und nachher gehst du zu ihm und bittest ihn, dich zu Cam zu bringen.«
»Wer ist Cam?«
Sie kicherte.
»Unsere Travel-Agency.«
Mehr wollte sie nicht dazu sagen, also befolgte ich ihren Rat. Er schien mir nicht ganz falsch zu sein. Immerhin stand sie auf meiner Seite.
Den Nachmittag verbrachte ich damit, Johanne, wie sie sich vorstellte, bei der Arbeit zu helfen. Ich faltete Dutzende von Laken und Handtücher zusammen, räumte Stapel von Lebensmittel in Regale und hörte dabei ihr und den beiden anderen Frauen überwiegend schweigend zu.
Ich lernte dabei viel über das Leben in der Subcultura. Die Menschen hier waren augenscheinlich recht gut organisiert. Einige von ihnen sammelten in den Vierteln der Civitas als Bettler und Straßenmusikanten Münzen zusammen, andere verdingten sich als Schwarzarbeiter. Vor allem bei der Müllentsorgung und bei Entrümpelungen. Mir war in meinem
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