Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
aufzuschreiben.«
LANDLEBEN
D r. Grenouille sagte mir zu, gleich am nächsten Tag vorbeizukommen. Er fragte auch nach Reb. Ich erzählte ihm, dass er bei seinem Vater geblieben sei, und der dumpfe Schmerz, der mich immer dann übermannte, wenn ich an Reb dachte, blieb auch den Rest des Tages bei mir.
Ich betäubte ihn so gut es ging mit Arbeit. Und Arbeit gab es wahrlich genug auf dem Gut. Gort, Willows ältester Sohn, leitete es, Tilia, ihre älteste Tochter, betrieb eine kleine Töpferei, Maple, Tilias Schwester, kümmerte sich um den Verkauf der Produkte auf den Märkten. Willows jüngster Sohn Elmo führte einen Betrieb, der sich »Garage« nannte und in dem die seltsamsten mechanischen Dinge repariert wurden – von den riesigen Geräten, mit denen man die Felder bearbeitete, bis zu den Fahrrädern, die von allen hier benutzt wurden.
Ich hatte die Wahl gehabt – Rad oder Pferd.
Ich nahm das Rad und fiel damit auf die Nase.
Aber gut, inzwischen beherrschte ich das Ding, zumindest wenn kein allzu heftiger Wind wehte. Ebenso hatte ich einen Großteil meiner Scheu vor den Tieren verloren, auch wenn ich mit den Gänsen eine stete Feindschaft pflegte, seit sie mich ein paarmal herzhaft in die Waden gezwickt hatten. Die Enten fand ich ganz nett, die Hühner blöd. Aber Willow hatte gesagt, wenn ich Crêpes haben wollte, müsste ich Eier sammeln. Also lernte ich auch das. Die Schweine begrüßten mich mit einem freundlichen Grunzen, wenn ich ihnen abends das Futter brachte. Die drei Pferde waren ziemlich zahm, und ich hatte herausgefunden, dass sie Äpfel oder Möhren mit ganz sanften Lippen aus meiner Hand nahmen. Besondere Freundschaft aber hatte ich mit Mabelle geschlossen. Mabelle war eine sandfarbene Katze, die sich üblicherweise in der Scheune herumtrieb und dort angeblich Mäuse fing. Hazel und Willow strich sie oft um die Beine, und nachdem ich ihr einmal ein Stückchen Käse gegeben hatte, war sie auch mir gegenüber zutraulich geworden. Sie schlich sich nachts manchmal in die Kammer, die Hazel und ich teilten, und kuschelte sich schnurrend an meine Seite. Das half mir gerade in den ersten Wochen über mein Unglück hinweg.
So auch an diesem Abend. Mabelle hopste mit einem ulkigen kleinen Maunzen auf meine Decke, kaum dass ich daruntergeschlüpft war. Hazel kletterte ebenfalls in ihr Bett und fragte: »Deine kleine Seelentrösterin ist ja wieder bei dir. Machst du dir noch immer Sorgen?«
»Nein, Sorgen nicht. Ach, egal.«
»Fluke ist total verschossen in dich.«
»Ich weiß.«
»Hey, der ist wirklich ein Netter.«
»Ich weiß.«
»Aber Reb ist netter?«
Ich hatte ihr ziemlich viel von ihm erzählt. Hazel war meine Freundin, und ich wusste auch von ihr, welche Jungs sie mochte und welche nicht. Sie hatte einen Freund in Rennes gehabt, aber das war auseinandergegangen. Und hier hing ihr Pecker auf der Pelle. Den aber mochten wir beiden nicht sonderlich.
»Nett ist Reb überhaupt nicht. Er ist irgendwie anders.«
»Du könntest ihn besuchen.«
»Besser nicht. Er will mich ja nicht sehen.«
»Wir könnten ihn einladen. Zum Tanz am Samstag.«
»Ich glaube kaum, dass er herkommen würde. Ach, vergiss es. Ich geh mit Fluke hin.«
»Okay, und ich mit Colin. Der ist zwar ein bisschen jünger als ich, aber nett ist der auch. Und er gehört zu den Wasserleuten, die sind sowieso viel lustiger als die Freunde von Pecker.«
»Was hat dein Vater übrigens damit gemeint, als er sagte, dass sich Pecker in Schwierigkeiten bringt?«
»Ach, das tun die alle. Aber er und die beiden Nerds aus NuYu, die für den Radiosender arbeiten, haben neulich aus einer Lodge ein paar Sachen mitgehen lassen. Man hat sie zwar nicht erwischt, aber richtig ist das nicht.«
»Was haben sie geklaut?«
»Technikkram. Ich weiß nicht, irgendwas basteln die da ständig in ihrem Radiosender herum. Manchmal glaube ich, sie versuchen Nachrichten über die Satelliten zu empfangen.«
»Ist das denn verboten?«
»Nein, nicht wirklich verboten. Es verstößt nur gegen unsere Prinzipien. Andererseits – es ist schon ganz praktisch, wie ihr miteinander in Kontakt bleiben könnt. Ich habe das damals in dem Heilungshaus bewundert.«
»Ja, diese Telefone hier sind ziemlich altmodisch.«
»Und vor allem fallen sie immer mal wieder aus, weil so ein Idiot sein Auto um die Masten wickelt oder der Sturm irgendwo eine Leitung abreißt. Vor allem vermisse ich das Fernsehen. Kino ist zwar schön, aber man muss hinfahren, pünktlich sein, und
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