Kyria & Reb - Die Rückkehr
der aufgelassenen Bürostadt lebten die Ausgestoßenen. Und jene, die sich die Wardens nannten. Diese allerdings in einer versteckten, hochtechnisierten Unterkunft, die ich bei meiner Flucht aus NuYu kennengelernt hatte.
An das Areal der Arena mit ihren Stallungen und Wohnhäusern schlossen sich saftiggrüne Weiden an. Unzählige Pferde standen hier und grasten oder betrachteten die Landschaft mit wedelnden Schweifen. Das Gewitter am Samstag hatte die sommerliche Hitze vertrieben, ein kühler Wind trieb einige Wolken über den Himmel. Das Gras war noch feucht von einem Regenguss, der am Vormittag niedergegangen war.
»Welches sind deine?«, fragte ich und deutete auf die Tiere.
»Die Weißen dort hinten.«
»Nett. Du hast Weiß als deine Farbe gewählt?«
»Snobbish, was?«
»Ich trage auch Elfenbein.«
»Ich weiß.«
Die Farbe meiner Familie war das gebrochene Weiß, das Wappen die Jonquille. Als ich in die Gesellschaft eingeführt worden war, hatte ich das Gewand aus schwerer Seide mit der eingewebten Blüte erhalten, und wenn meine Mutter zu offiziellen Anlässen auftrat, trug sie ein Gleiches.
Wir gingen ein Stück den Zaun entlang, und schließlich schwang Cam sich auf einen der Balken. Ich krabbelte neben ihm hinauf.
»Maie weiß von euch«, begann ich.
»Sie ist schlau.«
»Sie will mir dabei helfen herauszufinden, was mit meinem Vater geschah.«
»Dann wird sie vorsichtig sein müssen.«
»Das hat sie mir auch geraten.«
»Dann sei es. Was weiß sie von Demirs Tod?«
Ich gab an ihn weiter, was sie mir berichtet hatte. Er nickte.
»Ja, damals ist etwas geschehen, Kyria. Gib es an sie weiter, ohne mich zu erwähnen.«
»Ja, in Ordnung. Was ist es?«
»In dem Monat, als dein Vater starb, brach eine Mumpsepidemie in La Capitale aus. Mehrere Menschen fanden durch sie den Tod. Auffällig ist, dass die meisten Opfer einige Tage zuvor an einer Demonstration der NuMen teilgenommen hatten, die sich für das Männerwahlrecht einsetzten. Ich habe ein paar Namen von den Erkrankten gefunden. Alf van Leue, der Vorsitzende der NuMen, war auch darunter.«
»Du glaubst an einen Zusammenhang?«
»Ich glaube, dass die Viren gezielt eingesetzt wurden.«
»Schon wieder!«
»Ein probates Mittel, um die Menschen zu demoralisieren, Angst und Schrecken zu verbreiten und mögliche Feinde zu eliminieren.«
»Wer wendet solche Methoden an?«
»Das kann fast jeder, der Zutritt zu den Forschungslabors hat oder sich verschaffen kann.«
»Im Reservat waren es Leute von Serolon Quest, die die Masernviren in den Kindergärten verbreiteten. Cam, stecken die Pharmahersteller dahinter, um ihre Impfstoffe zu verkaufen?«
»Zum Teil vermutlich. Aber damals wollte jemand gezielt die Männer treffen. Es war ein überschaubarer Kreis, der infiziert wurde. Dein Vater gehörte auch den NuMen an, und er muss etwas bemerkt haben. Möglicherweise hat er mit den falschen Leuten darüber gesprochen. Also hat man dafür gesorgt, dass er den Mund hielt.«
»Übermorgen treffe ich mich mit meiner Mutter. Sie muss mir endlich erzählen, was sie darüber weiß.«
»Vielleicht gar nichts. Dein Vater wollte sie bestimmt nicht in Gefahr bringen. Aber versuch es dennoch.«
»Hast du auch etwas über Bonnie in Erfahrung bringen können?«
»Ich kann nicht zaubern, Kyria. Wir bleiben dran.« Er fasste in seine Hosentasche und holte einen kleinen mattgrauen Gegenstand hervor. »Weißt du, was das ist?«, fragte er.
Ich starrte das Ding an. So etwas hatte ich einmal in einer alten Dokumentation gesehen. »Ist das eine Waffe?«
»Richtig. Eine Betäubungswaffe.«
»Aber … «
»Natürlich ist sie verboten.« Cam lächelte leicht, zog eine flache Schachtel hervor und überreichte sie mir ebenfalls. »Munition. Schau zu, wie man das Ding lädt.«
Fassungslos verfolgte ich seine Demonstration. Das war der blanke Wahnsinn. Eine Waffe! Kein Mensch bewaffnete sich …
Nur Amazonen trugen Waffen.
»Hast du verstanden, Kyria?«, fragte Cam.
»Nein.«
»Dann noch mal. Schau gut zu.«
»Was soll ich damit?«
»Du bist leichtsinnig. Kyria, ist dir noch immer nicht klar geworden, dass du in Gefahr schwebst? Glaubst du, dass diejenigen, die deinen Vater umgebracht haben, heute keinen Einfluss mehr haben?«
Mir wurde kalt. »Aber warum ich?«
»Tochter der Kandidatin für das höchste Amt im Staat.«
»Eines Staates, in dem ein jeder in Sicherheit lebt«, murmelte ich.
»Das, Kyria, war jetzt an Zynismus kaum zu übertreffen. Darum mach
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