Kyria & Reb - Die Rückkehr
sie dich schon zuvor verfolgt?«
»Sie kamen aus einer dunklen Hauseinfahrt. Blieben ein paar Meter hinter mir. Hier haben sie mich dann angegriffen. Ach, Scheiße.« Sie stützte das Gesicht in die Hände und begann wieder zu zittern.
Ein Schock – natürlich. Und dagegen half Heiß und Süß. Ich legte eine Decke über sie, ging zu meiner Kochnische und bereitete einen Tee mit viel Honig zu. Sie trank ihn, verzog das Gesicht zu einer Grimasse und schüttelte sich.
»Igitt, wie süß!«
»Hilft aber.«
»Ja, tut’s. Ich geh jetzt besser. Muss mich um die Kiddies kümmern.«
»Tu das. Leben ist zäh!«
»Tja. Du bist ’ne Komische. Aber danke.«
Nachdem sie aus der Tür war, machte ich mir auch einen Tee, heiß und süß. Irgendwie brauchte ich den jetzt. Denn die kalte Angst kroch nun auch in meine Knochen.
Konnte jemand wissen, dass Kyria hier als Ria Meier arbeitete? Schwebte ich schon wieder in Lebensgefahr? Oder hatten die drei Junors nur ihr Mütchen an einer jungen Frau kühlen wollen?
Morgen wusste ich vielleicht mehr. Besser, ich zermarterte mir jetzt nicht das Gehirn darüber. Aber eines nahm ich mir vor – ohne die Pistole würde ich nicht mehr aus dem Haus gehen.
Mein KomLink meldete sich, und ich las leicht genervt die wiederholte Aufforderung, diesen Selbsttest zu machen oder mich umgehend mit meiner Ärztin in Verbindung zu setzen.
Die beständige Gesundheitsüberwachung war einer der Gründe, warum ich allmählich zur Rebellion neigte. Früher hatte ich beständig unter medizinischer Aufsicht gestanden, irgendwie gehörte das zum normalen Leben dazu. Aber seit ich meine kleine behütete Welt verlassen hatte, war mir klar geworden, wie sehr man uns alle mit dieser angeblichen Fürsorge in Schach hielt.
Es ging niemanden etwas an, was ich aß, ob ich Pickelchen oder Ausschlag bekam, mich abgeschlagen und müde fühlte, wenn ich damit leben konnte. Ich nahm mir vor, das nächste Mal mit Maie darüber zu sprechen, ob man die medizinische Funktion auf meinem Id deaktivieren konnte. Wenn ich unerkannt bleiben wollte, durfte ich nicht Repressalien ausgesetzt werden, weil ich keine Ärzte besuchte.
Um mich abzulenken, schaltete ich den Bildschirm ein, in der Hoffnung, etwas Unterhaltsames zu finden. Vielleicht ein Quadriga-Rennen?
Aber ich blieb bei den Nachrichten hängen, denn unser öliger Delbert unterhielt sich mit La Dama Olga, der Gegenkandidatin meiner Mutter. Sie war einen guten Kopf kleiner als der Reporter, jedes ihrer rötlichen Haare schien zur Vollendung gelackt und gelockt worden zu sein, ihre Electi-Gewänder umwogten sie graziös, und über ihre zart schimmernden Lippen quollen Worte in einem Akzent, der gemeinhin charmant genannt wurde.
Mochte die Sprachmelodie auch Charme haben, der Inhalt ihrer Rede hatte ihn nicht. Delbert hatte sie auf die neuesten Erkenntnisse zu dem Sabotageakt angesprochen, dessen Ausführung Tim und Kevin nun zugegeben hatten, und sie trötete über die schlimmen Eigenschaften der Männer, die unverantwortlich wie die kleinen Kinder mit gefährlichen Spielzeugen herumhantierten. Gleichzeitig keilte sie gegen Ma Dama Isha aus, deren Pläne zu mehr Männerbildung und Gleichstellung im Berufswesen sie auf das Schärfste missbilligte.
»Dafür will La Dama Isha Geld ausgeben, aber bei der Gesundheitsüberwachung spricht sie von Sparplänen. Jo mei, des wird unserem Land Schaden zufügen.«
Und dann verbreitete sie sich über die Bedeutung der vom Institut für Verbraucherschutz in die Wege geleiteten Untersuchung und forderte die Bürger noch einmal inniglich auf, sich dem Selbsttest zu unterziehen.
»Des ist für eure Sicherheit, glaub’n Sie mir des.«
Tat ich nicht. Leben ist zäh!
Aber ich ärgerte mich, und meine Mutter würde sich auch ärgern, denn die Neuigkeit, dass Tim und Kevin sich für den Anschlag verantwortlich gezeigt hatten und damit der Verdacht von ihr genommen worden war, das hätte sie selbst als Erste bekannt geben müssen.
Müde gähnte ich den öligen Delbert an und knipste ihn dann aus.
Was hatte ich mir nur alles vorgenommen.
REB TRIFFT IN LA CAPITALE EIN
R eb schulterte seinen Rucksack und trat auf den Bahnsteig.
La Capitale.
Hier war er geboren und aufgewachsen, hier hatte er als Ausgestoßener über zehn Jahre lang im Untergrund gelebt. Jetzt war er ein Bürger des Reservats und legaler Besucher. Na ja, nicht ganz legal. Aber er konnte sich ungehindert durch die Stadt bewegen, einkaufen, was immer ihm gefiel,
Weitere Kostenlose Bücher