Kyria & Reb - Die Rückkehr
Maße übermittelt werden konnten, und erhielt die Auskunft, dass morgen gegen Mittag die Sachen geliefert würden.
Das alles war viel bequemer, als durch die Läden zu ziehen und die Stücke anzuprobieren. Allerdings auch weniger vergnüglich.
Anschließend bat ich in der Küche um ein leichtes Abendessen, das mir die Köchin höchstselbst servierte und dabei ihre Freude darüber zum Ausdruck brachte, dass ich wieder eingezogen war. Meine Mutter schien das Personal gründlich instruiert zu haben, sie behandelte mich nicht mehr wie das kränkliche Kind, das sie so lange versorgt hatte, sondern wie einen vornehmen Gast. Es stimmte mich ein bisschen traurig, aber auch das gehörte nun wohl zu meinem neuen Leben.
Am nächsten Tag suchte ich die Privatpraxis von Dr. Martinez auf.
Dr. Martinez kannte mich, seit ich auf der Welt war. Sie war eine grauhaarige Frau von Ende fünfzig, eine gewissenhafte Ärztin und mir gegenüber immer sanft und freundlich gewesen. Wenn auch unerbittlich, was ihre Vorschriften und Therapien anging. Meine Mutter hatte mich angekündigt und ihr wohl auch einige Informationen gegeben. Sie empfing mich mit großer Herzlichkeit.
»Junora Kyria, ich bin froh, Sie gesund wiederzusehen. Sie haben mir einiges Kopfzerbrechen bereitet mit Ihrer heimlichen Flucht aus dem Heilungshaus.«
»Ich hoffe, Sie hatten deshalb keine allzu großen Schwierigkeiten, Dr. Martinez. Aber ich war damals so durcheinander, dass ich nur an mich denken konnte.«
»Ist schon gut. Man hat Ihnen und Ihrer Mutter Schreckliches angetan. Ich habe mir schon seit Ihrem Verschwinden Gedanken darüber gemacht.«
Sie legte mir den Diagnosestick an, schaltete den Monitor ein und studierte die Daten, die darauf erschienen.
»Gesünder geht es kaum«, sagte sie schließlich und lächelte mich an.
»Ich fühle mich auch gut. Aber, Dr. Martinez, ich habe Fragen.«
»Dann stellen Sie sie mir. Ich werde mich bemühen, sie zu beantworten.«
»Wer hat damals bei meiner Geburt die Genanalyse gemacht?«
»Dazu habe ich bereits etwas in Erfahrung gebracht. Eine Spezialistin von Pandemica hat die Untersuchung durchgeführt und die Unterlagen an sich genommen. Die Analysewerte sind zwar nicht gefälscht, aber die Deutung wurde verändert. Statt der fehlenden Weisheitszähne hat man einen Organdefekt angegeben. Wer die Fälschung vorgenommen hat, ist jedoch unklar.« Dr. Martinez schüttelte den Kopf. »Ich hätte es überprüfen müssen, Junora Kyria. Ich fühle mich entsetzlich schuldig, weil es mein Fehler war.«
»Pandemica – sie haben sich darum gekümmert, weil mein Vater an diesem sogenannten Gendefekt angeblich gestorben war, richtig. Die Todesursache war aber kein Gendefekt, sondern eine Poloniumvergiftung.«
Entsetzt sah mich die Ärztin an. »Sie sind sicher?«
»Ja. Dr. Martinez, bitte versuchen Sie sich an alles zu erinnern, was damals geschah. Meine Mutter und ich müssen wissen, wer ihn umgebracht hat und warum. Aber seien Sie vorsichtig, sprechen Sie nur mit mir oder Ma Dama Isha darüber.«
»Natürlich. Große Mutter, in was für einer Welt leben wir?«
»In einer anderen als der, die man uns vorzugaukeln versucht.«
»Dieser junge Rebell, für den Sie sich im Heilungshaus so eingesetzt haben … ?«
»Ja, er hat mir die Augen geöffnet.«
»Geht es ihm gut?«
»Ich denke schon. Er hat … gefunden, was er gesucht hat.«
Die Röte in meinem Gesicht verriet mich. Dr. Martinez zog die Schublade ihres Arzneischranks auf und gab mir ein Päckchen kleiner Pflaster.
»Okay. Danke.«
Besser als die altertümlichen Mittel gegen das Kindermachen, die man in den Reservaten benutzte.
»Ach so, ja, was ich fast vergessen hätte«, sagte ich, um das Thema nicht zu vertiefen. »Welches Mittel braucht man, um die Folgen der schlimmen Lebensmittelgifte zu beseitigen, die mit diesem Selbsttest angekündigt wurden?«
»Sie haben doch gar keinen Ausschlag, Junora Kyria.«
»Ich nicht, aber … Freunde von mir.«
»Die sollten dann eiligst zu ihrer Ärztin gehen.«
»Sie werden nicht medizinisch betreut«, meinte ich trocken.
Wieder verschloss sich ihre Miene. »Weiß Ihre Mutter davon?«
»Wenn sie es nicht weiß, ahnt sie es. Geben Sie mir die Medikamente. Es sind Kinder, Dr. Martinez, die betroffen sind. Kinder, die nichts dafür können, dass sie zu den Ausgestoßenen gehören.«
Sie seufzte, dann stand sie auf und holte einen Behälter mit Tablettenstreifen aus ihrem Schrank. »Fünf Tage lang je zwei davon.
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