Kyria & Reb - Die Rückkehr
anrufen, der ihn hier abholte.
Mühsam kam er hoch und setzte sich auf den Bettrand. Ja, da auf dem Sessel lagen seine Sachen, zusammengefaltet und offenbar gereinigt. Er stand auf, machte einen Schritt darauf zu, stolperte und fiel der Länge nach polternd auf den Boden. Schwindel summte in seinem Kopf. Verdammt!
Jemand kam in den Raum.
Ein Mann.
»Junor Reb, bleiben Sie im Bett, ich bitte Sie.«
Kräftige Hände halfen ihm auf, brachten ihn zu dem Sessel und legten eine Decke über ihn.
»Ich bin der Majordomus, Junor Reb, und Junora Kyria hat mich gebeten, Sie zu versorgen.«
Majordomus, Mann, was denn noch?
Aber der Herr im schwarzen Anzug war ausgesprochen höflich. Er hängte ein Gewand für ihn über die Sessellehne und stellte eine Kulturtasche auf den Tisch.
»Ich lasse Ihnen ein leichtes Frühstück bringen, Junor Reb, und werde Ihnen anschließend bei der Toilette zur Hand gehen.«
»Wo ist … Junora Kyria?«
»Sie hat heute Vormittag einen Termin. Sie lässt Ihnen ausrichten, dass sie gegen drei Uhr wieder hier ist, und bittet Sie, sich der Annehmlichkeiten das Hauses zu bedienen.«
Was für ein Geschnörkel. Aber bis sie wiederkam, würde er lange weg sein.
»Sollten Sie den Gedanken an das Verlassen des Hauses hegen, Junor Reb, wäre Ihre Gastgeberin sehr unglücklich.«
Und Gedanken konnte der auch noch lesen.
Jetzt hielt er ihm die dunkelgraue Hose hin, und mit einem Nicken erlaubte Reb ihm, sie ihm überzuziehen. Auch die Tunika legte er an und fühlte sich etwas weniger hilflos als so nackt und bloß.
Es klopfte an der Tür, und ein Küchenjunge oder so was Ähnliches schob einen Servierwagen vor ihn.
»Reisbrei mit Früchten, Kamillentee und Buttertoast, Junor Reb, dürften Ihrem Magen guttun«, schnurrte der Majordomus. »Und diese Tablette hier nehmen Sie bitte auch ein.«
Reisbrei. Reb rollte mit den Augen. Klebriger, süßer Reisbrei.
»Könnte ich bitte ein blutiges Steak und einen schwarzen Kaffee haben?«
»Ich fürchte, Junor Reb, dann müsste ich gegen die Anordnungen von Junora Kyria handeln.«
»Ach, Sie tun alles, was sie befiehlt?«
»Ich erfülle selbstverständlich die Wünsche meiner Herrin, Junor Reb. Das gehört sich so. Aber bitte, probieren Sie doch die Gerichte.«
Die Herrin, Kyria, wie ihr Name es sagte.
Langsam tauchte Reb den Löffel in den weißen Brei und führte ihn zum Mund. Na ja, so furchtbar schmeckte er nicht. Ein bisschen süß, ein bisschen fruchtig und ansonsten wie Zunge am Fenster. Dass er Hunger hatte, merkte er jetzt erst, und dass das Zeug seinen Magen angenehm wärmte, fiel ihm auch auf. Während er aß, bezog der Majordomus das Bett frisch und räumte die Spuren der vergangenen Nacht fort.
Noch nie in seinem Leben war er so umsorgt worden. Oder besser, nach seinem zehnten Lebensjahr hatte er einen derartigen Luxus nicht mehr erfahren. Im Haus seiner Mutter war es ähnlich zugegangen, es hatte Personal – insbesondere Kindermädchen für ihn – gegeben, eine elegante, wertvolle Einrichtung, exquisites Essen … All das war ihm jedoch genommen worden, als er mit zehn Jahren von seiner Mutter verstoßen worden war. Noch immer schauderte Reb, wenn er an die ersten Tage und Nächte dachte, in denen er hungrig und verloren durch die Stadt gestreift war. Aber Leben war zäh, hatte er festgestellt, und Organisieren lernte man schnell, wenn man nichts zu verlieren hatte. Ein alter Mann hatte ihm schließlich geholfen und ihn einen Platz in der Subcultura finden lassen. Senor Cassius hatte irgendwas mit seinem Vater zu tun gehabt, aber das hatte Reb erst in den letzten Monaten herausgefunden. Damals wollte er von Alvar terHag, der Legende der Wagenlenker, nichts wissen. Er hatte ihn von einem Tag auf den anderen verlassen, war ohne ein Wort aus seinem Leben verschwunden. Dass er auf der Flucht vor der Entdeckung seiner Untergrundorganisation gewesen war, hatte er ihm erst bei ihrem Wiedersehen im Reservat erklären können. Und hier kreuzten sich die Fäden mit denen von Kyria, denn sein Vater war der beste Freund des ihren. Seinen Mörder zu finden hatte Alvar sich damals zur Aufgabe gemacht. Die Wardens, die Wächter der Unterwelt, hatten sich mit den Umtrieben der Mächtigen befasst und unglaubliche Missstände und Verbrechen entdeckt. So beispielsweise den Einsatz von Viren, um Angst und Schrecken zu verbreiten und sogar, um die Kolonien der Subcultura auszurotten. Die Gruppe, der Alvar angehörte, war verraten worden, bei einer Razzia
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