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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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abgestattet hatte. »DIES IST EINE FREUNDLICHE ERINNERUNG IHRES ROSA ELEFANTEN«, hatte er geschrieben. »(1234 x 7896) + 7/9(5647 x 6543) – (7778 x 6665) = -14136900 5/9. DA – OHNE TASCHENRECHNER! BITTE DEN FILM ENTWICKELN!«
    Es dauerte zwanzig Sekunden, bis ich den Fotoapparat gefunden und den Film herausgeholt hatte, fast eine halbe Stunde, bis ich die Zahlen nachgerechnet und weitere zwei Stunden, bis ich mein Apartment auf der Suche nach einem Taschenrechner durchwühlt hatte, obwohl ich genau wußte, daß ich keinen besaß. Sogar den Papierkorb filzte ich dreimal in der Hoffnung, irgendwelche Schmierzettel mit langen Zahlenkolonnen zu entdecken.
    Dabei war mir klar, daß ich nichts finden würde. Wenn mein anderes Ich auch nur die geringste Ähnlichkeit mit mir hatte, legte es mich nicht derart blödsinnig aufs Kreuz. Oder doch? Ich ließ mir diese Version des Jekyll- und Hyde-Drehbuchs eine Weile durch den Kopf gehen und verwarf sie dann wieder: Selbst ein wahnsinniger, ränkeschmiedender McCoy würde meiner Ansicht nach niemals gleichzeitig mit einer Flasche guten irischen Whiskys und öden Zahlenreihen jonglieren. In nüchternem Zustand hatte ich die Berechnungen in einer halben Stunde geschafft. Besoffen …?
    Es mußte eine einleuchtende Erklärung geben, eine ganz schlichte Lösung, die ich irgendwie übersah. Ich erinnerte mich noch einigermaßen an den Verlauf des Vorabends: das schnelle Bierchen zu Feierabend, um die Nerven nach der heftigen Unterredung mit Richard Johns zu beruhigen; die angenehm friedliche Atmosphäre der Gassenkneipe, die mich dazu bewog, noch ein Glas zu bestellen; der Schnaps, mit dem ich das Bier hinunterspülte; dann einen zweiten, aber diesmal bitte gut eingeschenkt! Schließlich den Drieviertelliter Whisky für den Heimweg und ab zu Dickens, Jameson Ten [10] und Beethovens Sechster. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, daß ich die Flasche leergetrunken hatte – aber daß sie leer war, stand ebenso fest wie die Tatsache, daß ich mitsamt den Kleidern eingepennt war.
    Ich brachte den Film noch am gleichen Abend beim Courier vorbei und holte ihn am Tag darauf ab.
    »Ist doch sonst nicht deine Art, einen Film zu verschwenden«, meinte Tom Smith, als er mir die Abzüge überreichte. »Aber da waren nicht mehr als vier Aufnahmen belichtet. Hättest du den Rest nicht dafür verwenden können, den geheimnisvollen Mister Johns einzufangen?«
    Ich tat, als hätte ich den boshaften Seitenhieb nicht gehört, und sah mir die Bilder an. Drei der vier Fotos hatte ich zwei Tage zuvor geschossen, bei einem Interview mit dieser ehrwürdigen Matrone, die es geschafft hatte, über hundert Jahre alt zu werden, dank dem lieben Herrgott, der heiligen Jungfrau Maria und einem Glas Ziegenmilch täglich, mein Junge! Das vierte Bild stellte mich dar, wie ich mit weit ausgestreckten Armen auf meinem Sofa lümmelte und stieren Blicks vor mich hingrinste. Ich trat von der Dunkelkammer in den Korridor hinaus und betrachtete die Aufnahme mit zusammengekniffenen Augen. Einen Moment lang hatte es den Anschein … Nein, nichts. Aber ich hielt das Ding schräg, bog und rollte es, untersuchte es aus allen Blickrichtungen, bis … etwas! Mein Arm um ein … ein Phantom!
    Dann war es wieder weg, und kein noch so angestrengtes Stirnrunzeln vermochte es wieder zurückzuholen.
    »Tom, komm doch mal bitte her und sieh dir das Ding genau an!«
    Ich konnte ihn nicht gut direkt fragen, was er sah, ohne den Eindruck zu erwecken, ich hätte den Verstand verloren. Aber nachdem ich eine Weile um den heißen Brei herumgeredet hatte, merkte ich, daß er mich auch so für verrückt hielt. »Ja, man hätte das Ding sicher etwas besser ausleuchten können. Quatsch, Dan, mit der Körnung ist alles okay. Nein, ich sehe nicht die Spur von Schatten. Und überhaupt – weshalb läßt du dich knipsen, wenn du einen in der Krone hast?«
    Selbst in diesem Moment kapierte ich noch nicht. Trotz des Wissens, daß mein Fotoapparat nicht über den Luxus eines Selbstauslösers verfügte, fiel mir die einzig logische Frage nicht ein. Aber Dan stellte sie. Zum Glück hatte er sich bereits wieder der Dunkelkammer zugewandt so daß ihm meine Reaktion verborgen blieb.
    »Eines muß man allerdings sagen«, meinte er. »Es ist eine verdammt lausige Aufnahme! Welcher Idiot hat sie eigentlich geschossen – nur damit ich weiß, vor wem ich meine teuren Geräte schützen muß!«
     
    Es war drei Uhr, als ich die Redaktionsräume des Courier

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