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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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anpassungsfähig, und gleichzeitig unterwerfen sie sich die Umgebung. Sie sind gelehrig und dabei unbelehrbar. Sie können sich schnell für eine Sache entflammen und morgen sich von ihr Zinsen bezahlen lassen und sie verraten. Und das alles wird von ihren rührigen Eigenschaften begleitet: Von unglaublicher Frechheit, Hartnäckigkeit und Ausdauer. Was sie sich vornehmen, das werden sie auch tun. Sie geben nie und mit nichts Ruhe. Nie werden sie mit etwas zufrieden sein. Und das sind die Quellen ihres Fortschritts. Eines unbarmherzigen, trostlosen, aber schnellen Fortschritts.«
    Der Historiker starrte auf den Bildschirm, auf das Detailbild der Augen der Christen, die sie in Ekstase zum Himmel hoben.
    »Sie glauben, sie seien für immer und ewig gekommen, doch in zweihundert Jahren werden sie von hier weggehen müssen. Die Muslimen sind zu stark, sind hier zu Hause, und diese Abendländer werden mit ihrer unglaublichen Grausamkeit den ganzen Islam gegen sich vereinigen, der im Begriff war, sich in viele Sekten aufzuspalten. Jetzt haben die Christen es geschafft, alle diese Sekten mit ihrer bewaffneter Wallfahrt wieder zusammenzuschmelzen.
    Aber gerade das ist richtig und gut.
    Sie werden weggehen, ihr Heiliges Land verlassen. Aber alles, was sie hier gelernt und sich angeeignet haben, nehmen sie mit zurück nach Europa. Von der Hygiene, über das Schießpulver, bis zum Zucker. Von Aussatz und Syphilis bis zu Aristoteles und Pythagoras. Ihre dauerhafte und schöpferische Unruhe, über die wir schon gesprochen haben, das Raubgierige und Usurpatorische an ihnen, ihre fiebrige und unendliche Sehnsucht, etwas zu erobern, sich für etwas opfern, um jeden Preis alles kennenzulernen – das alles wird sie zu den neuen Gottesgräbern jagen. Das Grab Gottes wird verschiedene Namen tragen: Gottesgesetz, Reformation, Neue Welt, Nach Westen! Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Quellen des Nils; Menschenrechte, Volk und Vaterland, Lufteroberung, Nordpol, Südpol, Gaurisankar – es werden viele Gräber sein, bis zu dem vorletzten Schritt in unseren galaktischen Pakt. Und das wird geschehen, dieser Erste Sprung genau nach 870 Jahren und sechs Tagen – am 21. Juli 1969 …«
    Der Techniker deutete schweigend auf die Sessel und begann das Raum-Zeit-Schiff auf den Zeitsprung vorzubereiten. Bald würde er wieder bei seiner jungen Frau sein.
    »Wie heißt eigentlich unser geretteter Held?« fragte er beiläufig.
    Der Historiker verzog ironisch die Lippen. Auch wenn sein Partner in die Kategorie Eins, in die Stufe der Sehr Leistungsfähigen Manipulatoren versetzt worden war, blieb er ein ganz gewöhnlicher Techniker, so lange er nicht Sinn für historische Poesie und Lyrik entwickelt und das Bemühen um Nebensächlichkeiten abgelegt hatte. Er würde es an der Hypno-Universität lernen, die ihn anstatt seiner Flitterwochen erwartete. Er lächelte der Mondsichel zu, die wie angeklebt am Abendhimmel über der eroberten Stadt aufleuchtete.
    »Armstrong«, sagte er und machte es sich bequem im Sessel, den Zeitsprung erwartend. »Der Vorfahre eines Mannes namens Neil Armstrong.«
    »Und wegen ihm all der Aufwand?«
    »Sein Name steht für einen entscheidenden Schritt der Menschheit.«
    »Hätte ihn nicht ebenso ein anderer tun können?«
    »Doch. Aber das wäre wieder eine andere Geschichte.«
     
    Copyright © 1987 by Karl von Wetzky

 
Wladimir Scherbakow
Sternenweiten
     
    »Sind Sie wach? Sehen Sie sich mal die nächtlichen Lichter an«, sagte Tschereschnin halblaut.
    Sergej öffnete die Augen. Es war bereits dunkel geworden. Das Auto sauste dahin. Bald werden wir an Ort und Stelle sein, dachte Sergej, döste einen Augenblick ein, doch es verging eine ganze Stunde. Eigentlich wollte er gar nicht schlafen, dachte bloß so konzentriert nach, daß er nicht merkte, wie die Zeit verging. Er dachte nach über den Flug. Über die Vergangenheit. Die Zukunft. Erinnerte sich. Hörte jemanden. Sprach selbst. Traf einen alten Bekannten. Diskutierte. Lachte. Natürlich bereits im Schlaf.
    Das blaue Dunkel vor der Scheibe des Autos wurde durchzuckt vom Wetterleuchten auf den Fernstraßen. Die Lichter, so schien es, liefen wirr am Himmel auseinander und schwebten links und rechts, vorn und hinten, unten und oben.
    »Mein Gott, so lange ich auch fahre, etwas derartiges habe ich noch nie gesehen«, sprudelte Tschereschnin hervor. »Sehen Sie nur: als ob die ganze Erde in Bewegung geraten wäre.«
    Helle Lichter flogen ungestüm über dem breiten Band

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