Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
nichts.
»Gehen wir«, sage ich und stehe auf.
»Vergiss es«, winselt er. »Auf gar keinen Fall geh ich da wieder raus!«
»Und was schlägst du vor?«
»Wir warten. Es wird schon jemand kommen und uns finden.«
»Mein Gott, du bist so ein Vollidiot! Hier unten ist seit Monaten keiner gewesen, eher seit Jahren.« Ich kicke die Waschpulverdose in seine Richtung. Dem Rost und dem Retro-Logo nach zu urteilen muss sie irgendwann aus den 50ern stammen.
»Aber dieses Ding ... «, jammert er mit zittriger Stimme. »Was, wenn es immer noch da draußen ist?«
»Jetzt hör auf, dir in die Hosen zu machen. Das war nur irgend so ein Verrückter. Ein Penner oder Bergie, oder wie ihr die hier nennt. Ist jetzt wahrscheinlich losgezogen, um sich einen Schuss Meth zu besorgen.«
»Aber die Geräusche ...«
»He, wir sind in Joburg, oder? Nach allem, was ich bisher gesehen habe, wimmelt es hier nur so von abgefuckten Typen. Er könnte aus einer Klapse abgehauen und hier unten gelandet sein.«
»Ja«, meint er und nickt dabei etwas zu eifrig, als wünschte er sich verzweifelt, mir zu glauben. »Aber ich versteh das nicht!« Er ist kaum in der Lage, die Worte herauszubringen. »Ich verstehe nicht, wie ... die Korridore ...«
»Was ist mit den Korridoren?«
»Sie haben sich verändert!«
»Mein Gott, Dan. Reiß dich zusammen. Wir sind irgendwo falsch abgebogen und haben uns dann in was reingesteigert.« Als ich das sage, glaube ich es beinahe selbst. »Also, wenn du für den Rest deines Lebens hier drinbleiben willst, ist das dein eigenes Scheißproblem. Aber ich hau jetzt ab.«
»Und der Junge?«
»Was ist mit ihm?«
»Was ist, wenn dieses Ding ihn erwischt hat?«
»Sag nicht so was!«
»Und diese Kurznachrichten. Glaubst du, hier will uns jemand verarschen?«
»Kennst du jemanden, der so was tun würde?«, frage ich.
»Diese Frage sollte ich eher dir stellen.«
»Was zum Henker meinst du damit? Ich kenne kaum jemanden in Joburg.«
»Was ist mit deinem Dealer?«
»Meinem was? «
»Ich weiß, dass du Drogen nimmst.«
Er bekommt mehr mit, als ich dachte. »Das ist nur Koks, Dan. Ich bin kein Heroinjunkie oder so was.« Jedenfalls nicht mehr. »Außerdem ... wer um alles in der Welt hat schon die Handynummern von uns beiden!«
Seine Augen zucken zu der Narbe in meinem Gesicht, dann verweilt sein Blick auf meinen Unterarmen. Seine Gedanken sind offensichtlich: Keiner, den er kennt, würde sich freiwillig mit einer Missgeburt wie mir zusammen sehen lassen. »Dann muss es Spam sein.«
»Yeah. Genau. Nichts als Spam. Wahnsinnssache. Und jetzt hiev deinen Arsch hoch.«
Ich reiße die Tür auf, bevor ich es mir anders überlege. Der Flur ist düsterer, als ich ihn von unserer wilden Flucht in Erinnerung habe. Die Wände sind feucht und überall mit langen Streifen eines blassgrünen Mooses bewachsen und im Flackern der Neonröhren schimmern die Backsteine, als befänden wir uns unter Wasser.
»Okay, Dan, welche Richtung?«
Er zuckt die Schultern. Typisch. Damit bleibt es wohl an mir hängen.
Rechts von uns krümmt sich der Gang auf ein unbekanntes, aber offenbar gut beleuchtetes Ziel zu. Links führt der Korridor in eine unheilvolle Dunkelheit, die mir augenblicklich eine Gänsehaut beschert.
Die Wahl fällt mir nicht schwer.
»Komm«, sage ich. Ohne mich zu vergewissern, ob er mir folgt, setze ich mich in Bewegung.
Kein Zweifel: Der Gang führt jetzt eindeutig abwärts. In kleinen Rinnsalen läuft Wasser die Wände herab. Gott, habe ich einen Durst. Mein Mund fühlt sich klebrig an und schmeckt, als hätte ich einen Gully geknutscht. Es ist wohl besser, erst mal kein Koks zu nehmen, obwohl ich den Energiekick gebrauchen könnte. Nachdem die Wirkung von Adrenalin und Schnee nachgelassen hat, schreien meine Muskeln vor Schmerz und mein Kopf dröhnt. Ich habe letzte Nacht kein Auge zugetan, und Gott weiß, wann ich das letzte Mal etwas gegessen habe.
Ich stolpere zum Ende des Gangs, der sich aufspaltet und in beide Richtungen davonkrümmt.
»Links oder rechts?«, frage ich. Keine Antwort. »Dan! In welche Scheißrichtung sollen wir laufen?«
»Nach rechts.«
»Vielen herzlichen Dank auch. Scheiße.«
In diesem Korridor ist die Decke niedriger als in den anderen. Ich gehe schneller. Die Neonröhren zischen und knallen besorgniserregend – vor allem in Anbetracht der nassen Wände. Gott im Himmel, lass diesen Gang irgendwohin führen. Meine Füße tun mir weh. Wir sind jetzt schon gut anderthalb Kilometer
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