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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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unelegant auf dem Boden. Daraufhin nehme ich seine Stelle ein, ziehe die Handschuhe aus, greife mit bloßen Händen nach dem orangefarbenen Faden und ziehe daran.
    »Vika! Das Terminal!«
    Der Wirt-Navigator baut sich auf. Im Prinzip kein schlechtes Betriebssystem, wenn auch gedacht für Leute mit gutem Selbsterhaltungsinstinkt, nicht für Newbies voller Experimentierfreude. Denn jedes Kind kann bei ihm den Timer ausstellen.
    Was der verhinderte Herrscher der Galaxis auch getan hat, er ist seit achtundzwanzig Stunden im virtuellen Raum!
    Da ich keine Lust habe, mich mit dem Timer herumzuschlagen, suche ich die Datei, die für einen Notausgang aus der Tiefe sorgt, und öffne sie. Das Deep-Programm zickt anfangs noch und fragt nach einer Bestätigung. Und so was nennt sich »Notausgang«!
    Der Imperator stöhnt leise und fasst sich an den Kopf. Er will zur Tür gehen.

    Ich springe vom Thron, schließe das Terminalfenster, packe den Mann beim Kragen und stoße ihn zum Thron. »Setz den Helm ab!«, befehle ich ihm. »Fahre den Rechner runter!«
    »Ich … das wollte ich nicht …«, jammert der Imperator.
    »Ich schick dir die Rechnung für deine Rettung«, blaffe ich. »Und jetzt raus hier! Sofort!«
    Die Hände des Mannes bewegen sich zum Kopf hoch, er schlägt unsicher auf die Luft ein, bis seine Figur dann verblasst und das orangefarbene Kabel erlischt. Ich nehme die Brille ab.
    Der Hacker unter dem Loch in der Decke ist fast körperlos. Wie in Zeitlupe dreht er den Kopf hin und her. So entstehen die Legenden über Diver, die Wunder vollbringen.
    »Gehen wir«, sage ich zum Loser. Der rennt nach wie vor um den Hacker herum und späht in den Tunneleingang hinauf, aus dem noch allerlei Müll fällt. »Los!«
    Ich muss ihn bei der Hand fassen und wie ein Kind hinter mir herziehen. Den Hacker hält seine Neugier im leeren Saal zurück. Da sich das Loch in der Decke langsam schließt, wird sein Kanal in zehn Minuten gekappt sein. Aber mit diesem Problemchen darf er sich selbst befassen, wo er doch so cool ist!
    Die Tür führt in einen kleinen Saal, in dem es wiederum sieben Türen und einen Fahrstuhlschacht gibt. In der Nähe träumt wahrscheinlich der Anführer der roten Ameisen auf seinem Thron und die Gebieter der intelligenten Quallen und andere Spieljunkies brüten fiese Pläne aus …

    »Warum bist du die ganze Zeit um den Hacker herumscharwenzelt?« , frage ich den Loser im Fahrstuhl. Aber der schweigt.
    Soll er. Ich werde mir nicht länger den Kopf über seine Macken zerbrechen.
    Das Einzige, was zählt, ist, dass ich ihn aus dem Labyrinth herausgeholt habe! Ihn zwei großen Konzernen vor der Nase weggeschnappt habe!
    Der Fahrstuhl bringt uns zu einer Straße in Deeptown. Ich muss mich erst mal orientieren. Da drüben sind die Türme von AOL, da die langen Reihen der Hotels, und der grüne Park – das sind die Gärten von Elbereth Sternentfacherin. Alles klar. Wir befinden uns an der Grenze zwischen dem russischen, dem europäischen und dem amerikanischen Sektor der Stadt. Hätte schlimmer kommen können.
    Der Loser hebt den Kopf. »Sterne und Planeten: Der Herr von Sirius!«, deklamiert er.
    Ich folge seinem Blick. Über dem Gebäude, aus dem wir gekommen sind, leuchtet grell eine Reklametafel. Stars & Planets: Master of Sirius!
    Ein guter Laden. Denen sollte ich meine Dienste als Diver anbieten! Wäre eine simple Arbeit, bei festem Gehalt!
    »Was ist deine Muttersprache, Loser?«, will ich wissen.
    »Die kennst du nicht«, weicht er aus.
    »Vielleicht Basic?«, schlage ich vor.
    Wir lachen beide.
    »Okay«, sage ich. »Du bist ein Lebewesen. Du bist nicht das Produkt eines intelligentes Rechners.«

    »Danke.«
    »Aber wer bist du?«
    Der Loser zuckt die Achseln. Er betrachtet alle, die an uns vorbeigehen, mit der Neugier eines Menschen, der zum ersten Mal im virtuellen Raum ist.
    »Nimm die Gasmaske ab«, rate ich ihm und ziehe ihm selbst das Atemgerät herunter. »Sonst erschreckst du noch die Leute!«
    »Gehen wir noch irgendwohin?«, erkundigt sich der Loser.
    Ehrlich gesagt, weiß ich das selbst nicht genau. Ich hatte Angst vor einer hitzigen Treibjagd, der wir nur knapp und stark verletzt entkommen würden. In dem Fall hätte ich aber immerhin gewusst, was zu tun ist: Wir wären in die Vergnügungen jeder Art geflüchtet.
    »Wir gehen einfach ein bisschen spazieren«, improvisiere ich. »Bist du schon mal in den Elfengärten gewesen?«
    »Nein.«
    »Dann lass uns da hingehen, das lohnt sich!«,

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