Labyrinth der Spiegel
gleich aus. Irgendwann hättest du angefangen, mich zu hassen. Ohne es selbst zu merken. Du hättest nicht einmal begriffen, woher dein Hass plötzlich kommt …«
Ich rede weiter, obwohl mir längst klar ist, dass nichts mehr zu retten ist. Wir können Freunde bleiben, mehr nicht. Keine Frau der Welt liebt einen Mann, der ihr Gesicht als Mosaik aus bunten Pixeln wahrnimmt.
»Ja, ich hätte es dir sagen müssen«, flüstere ich. »Sofort. Aber ich konnte es nicht. Tut mir leid. Hättest du den Mut gehabt, mir zu sagen, dass du ein Diver bist?«
Vika schweigt. Tränen treten ihr in die Augen, Tränen, die eigentlich gar nicht vorhanden sind. Von nun an trennt uns eine Wand. Für immer.
»Nein«, sagt sie leise. »Ich konnte es auch nicht. Weil … ich Angst hatte, dich zu verlieren.«
Anscheinend bin ich soeben verrückt geworden.
Aus dem einfachen Grund, dass es keine Mauer zwischen uns gibt, wenn ich Vika umarmen möchte.
»Meine Arbeit … ihr habe ich das zu verdanken. Es ist so widerlich, wenn alles echt ist. Ich weiß nicht, wie es passiert ist … mich hat alles angekotzt … und ich habe Angst gekriegt. Da bin ich aus der Tiefe gefallen …«
»Wir nennen das auftauchen .«
»Da bin ich aufgetaucht.«
Der Loser betrachtet die Berge. Er ist wirklich in Ordnung. Wenn’s sein muss, würde er sich den ganzen Tag nicht nach uns umsehen.
»Ich tauche immer auf. Deshalb übernehme ich ja auch die größten Arschlöcher, ich krieg’s ja eh nicht mit.«
Eine Frage liegt mir auf der Zunge, die ich aber niemals stellen werde. Doch Vika antwortet von sich aus.
»Aber beim Fluss, da bin ich nicht aufgetaucht. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich dageblieben. Ehrlich.«
Ich glaube ihr, wie es alle Männer von Anbeginn der Zeiten an getan haben.
Denn die einzige Wahrheit in dieser Welt ist unser Glaube.
111
Vika kocht Kaffee, was sogar den Loser aus seiner Starre reißt. Wir setzen uns an den Tisch, in einem Kännchen steht frische Sahne bereit, im Zuckerdöschen häuft sich ein ganzer Berg weißer Kristalle, eine volle Flasche Achtamar wartet auf ihren Einsatz – und Vika schenkt den Kognak auch prompt ein, noch vor dem Kaffee.
»Auf deinen Erfolg, Ljonja«, sagt sie.
»Der wird mich noch teuer zu stehen kommen«, erwidere ich.
»Warum das?«
»Im ganzen Netz fahndet man nach mir.«
»Und das heißt?«
»Ich muss abhauen. Dieser Avatar hat zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und der Revolvermann ist hier gesehen worden.«
»Von wem?« Vika scheint nicht ganz zu begreifen, wie vertrackt meine Situation ist. »Von meinen Mädchen?«
»Zum Beispiel.«
»Sie werden ganz bestimmt niemandem was sagen. Oder glaubst du etwa, dass virtuelle Prostituierte Mitleid
mit den Mächtigen des virtuellen Raums haben? Vergiss nie, dass wir die alle schon ohne Hosen gesehen haben. Die Konzerndirektoren genauso wie die Firmenpräsidenten. Mit Männern, die es aufgeilt, eine Frau auszupeitschen, bevor sie mit ihr ins Bett gehen, hat man kein Mitleid.«
»Du hörst dich an, als seien alle eure Kunden pervers.«
»Nein, das natürlich nicht.« Vika lächelt. »Aber an die miesen denkst du natürlich immer zuerst. Keines von unseren Mädchen wird den Revolvermann verpfeifen. Schließlich hast du hier keine Orgie gefeiert und warst dir auch nicht zu schade, mit uns zusammenzusitzen.«
»Bist du sicher?«
»Ljonja, unser gesamtes Personal kommt aus Russland, der Ukraine, Weißrussland und Kasachstan. Glaubst du etwa, in diesen Ländern hegt man eine besondere Liebe für die Regierung oder die großen Konzerne?«
»Bisher ist mir eine derartige Abartigkeit nicht aufgefallen.«
»Eben! Also, auf deinen Erfolg!«
Wir trinken Kognak. Der Loser schließt sich uns an, doch er verzieht nicht mal ansatzweise das Gesicht, es ist fast so, als trinke er Tee.
»Was ist mit Cappy?«, frage ich. »Der erinnert sich garantiert an mich!«
»Der ist nicht der Typ für so was! Der lebt in seiner eigenen Welt!«
»Wenn du mich fragst, ist dem alles zuzutrauen.«
»Jetzt hör mir mal zu, Ljonja!« Vika trommelt mit den Fingern auf den Tisch. »Cappy nimmt immer das rote
Album. Das ist eine besondere Gruppe, in der alles erlaubt ist. Nicht bloß Ketten, Peitschen und die kleinen Gemeinheiten der Sadisten, sondern echte Bestialität. Mord, Körperzerstückelung … muss ich fortfahren?«
»Nein.«
»Auf all das steht Cappy aber nicht. Er kommt hierher, um zu reden.«
»Und damit macht er jede Frau
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