Labyrinth der Spiegel
herauskommen.«
»Niemals!«, antwortete ich kurz und bündig.
»Revolvermann, das ist nicht die Zeit für Spielchen. Ich stehe direkt vorm Haus. Und ich habe nur wenige Minuten Vorsprung vor meinen Konkurrenten. Al Kabar dürfte Ihre Spur ebenfalls entdeckt haben. Kommen Sie heraus!«
»Und dann?«
»Sie erhalten die versprochene Belohnung. Und ich kriege den Loser.«
Das ist ein lautes – ein sehr lautes – Telefon. Ich sehe den blonden Jungen an, der glaubt, er sei kein Mensch. Und ich sehe Vika an, die die Stirn runzelt.
»Ich habe nicht den Eindruck, dass er mit Ihnen mitgehen will«, antworte ich. »Tut mir leid.«
»Revolvermann! Wir haben eine Abmachung!«
»Die nicht besagt, dass ich Ihnen den Jungen übergebe. Nach dieser Abmachung sollte ich ihn lediglich aus dem Labyrinth herausholen. Alles andere geht Sie nichts an.«
»Sie maßen sich viel an, Diver.«
»Einer muss ja eine Entscheidung treffen.«
»Gut! Sie haben Ihre Entscheidung also getroffen.«
Aufgelegt. In der nächsten Sekunde federt der Boden und wirft uns an die Decke. Die Holzwände knirschen und verbiegen sich. Ein Bild mit einem Wasserfall fällt mir auf den Kopf – und das Tosen des Wassers an meinem Ohr bringt mich zur Besinnung.
Ich rapple mich hoch und krieche über den Boden, der sich immer weiter nach oben bäumt. Das ist kein Erdbeben – hier stürzen ausschließlich die Wände des Bordells ein. Hier wird der Schutz zerstört, den mir der Computermagier in seiner Naivität in den höchsten Tönen angepriesen hat.
Wobei: In Anbetracht der Tatsache, dass bisher niemand die Berghütte gestürmt hat, kann der Schutz gar nicht so miserabel sein.
»Vika!«
Ich helfe ihr auf. Ihr Gesicht ist blutverschmiert, die Ärmel ihres Sweatshirts zerrissen.
»Diese Schweine!«, zischt sie.
Nur der Loser ist nicht gefallen. Gegen die Wand gelehnt steht er mit ausgebreiteten Armen da, um das Gleichgewicht zu halten.
»Ich gehe jetzt da…«, setzt er an, aber das Krachen der nächsten Explosion übertönt seine Worte. »Das ist besser.«
»Du willst aufgeben?«
»Nein, aber …«
»Dann rühr dich nicht vom Fleck!« Ich packe Vika bei den Oberarmen. »Gibt es hier Seile?«
Sie schüttelt verzweifelt den Kopf.
»Wir brauchen Seile!«
Vika richtet den Blick aufs Fenster. Sie hat verstanden wofür. »Vielleicht können wir springen …«
»Das sind siebeneinhalb Meter! Das wäre Selbstmord!«
Zum Glück achtet Vika nicht auf die genaue Zahl, sonst würde sie wahrscheinlich ein Fass aufmachen – und dafür haben wir jetzt keine Zeit. Wie gesagt, Frauen sind nun mal aus anderem Lehm geformt.
»Im zweiten Stock ist …«, beginnt sie, doch da fliegt die Tür auf. Ich reiße den Gürtel aus der Hose, der sich zischend in eine Peitsche verwandelt. Aber in der Tür steht nicht der Mann Ohne Gesicht, auch nicht seine Schläger. Da schwebt auf seinen geflügelten Latschen der Computermagier. Der Gang hinter ihm ist in buntes Licht getaucht, das von den Explosionen stammt. Kaum blicke ich in dieses karnevaleske Feuerwerk hinein, passiert etwas mit mir: Meine Bewegungen verlangsamen sich, verlieren ihre Präzision …
»Oh! Der Warlock 9000!«, ruft der Magier entzückt beim Anblick der Peitsche in meiner Hand. Er schwebt ins Zimmer und knallt die Tür hinter sich zu – woraufhin sich meine akute Paralyse verflüchtigt. »Vika, wo ist Madame?«
»Ich vertrete sie heute!«
»Unser kleines Bordell wird angegriffen!«, fährt der Magier vergnügt fort. »Das Parterre ist zu Kleinholz zerlegt worden! Und obwohl der CPU-Killer ganz vorzüglich funktioniert, dringen die Kerle immer weiter vor!« Er kommt zu mir geflogen, packt mich beim Arm und fragt aufgeregt: »Ist dir diese Illumination aufgefallen? Ich füttere ihr Modem mit derart vielen überflüssigen Daten, dass jeder Computer darin ertrinkt! Bis auf die ganz guten natürlich … Vika, wo ist Madame?«
»Werden wir das überstehen?«, fragt Vika.
»Natürlich nicht! Blöde Frage! Wir haben es hier mit Profis zu tun! Aber keine Sorge! Wir setzen eine Beschwerde auf, die sich gewaschen hat! Wo ist Madame? Ohne ihren Befehl starte ich die Angriffsprogramme nicht!«
Vikas Körper flimmert, sie legt an Brust und in den Hüften zu, ihr Gesicht zerfließt wie Wachs. So sieht es also aus, wenn ein Diver die Tiefe verlässt und seinen Körper wechselt.
»Starte alles, was wir haben«, befiehlt Madame.
»Hu! Ha!« Der Magier reißt in gespielter Verwunderung die Augen
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