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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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spricht zwar nach wie vor mit ruhiger, ja, sogar gleichgültiger Stimme, aber in seinen Augen lodert das Feuer eines Spielers.
    »Du bist ein Mensch.«
    »Warum?«
    Ja, warum eigentlich? Schließlich bin ich noch vor gar nicht allzu langer Zeit bereit gewesen, ihn lediglich für ein abgefahrenes Programm zu halten. Ich bin völlig aus dem Konzept, aber Vika blickt mich auch an, als erwarte sie eine Antwort.
    »Ich weiß es nicht«, gestehe ich. »Du hast die Leute im Labyrinth nicht erschossen und einen inexistenten Jungen gerettet. Obwohl das echt idiotisch war … Du zitierst Carroll, aber der Mensch ist ja nicht bloß ein eingetrichterter Vorrat an Wissen. Du bist seit drei Tagen in der Tiefe , aber das macht dir nichts aus, du hältst durch.«
    Vika sieht den Loser verblüfft an.
    »Wie du in den virtuellen Raum eingetreten bist, ist völlig unklar. Und das spricht leider auch nicht dafür, dass du ein Mensch bist …«
    Er wartet geduldig.
    »Wahrscheinlich liegt es an uns selbst«, fahre ich zu meiner eigenen Überraschung fort. »Für mich bist du eben ein Mensch … einfach weil ich gern dein Freund sein möchte.«
    Anscheinend verwirrt das den Loser.

    »Hier, in der Tiefe , tragen alle eine Maske. Vielleicht ist das besser so. Richtiger. Ich weiß es nicht. Vielleicht bist du in der realen Welt ja ein ziemlich mieser Typ. Aber hier und heute halte ich dich für einen Menschen. Besser erklären kann ich das nicht.«
    »Womöglich sollte ich dann nicht in die Realität gehen?«, gibt der Loser zu bedenken. Er schaut Vika an und lächelt verlegen. »Schließlich bin ich kein Mensch.«
    Na toll!
    Der Wahnsinn, Teil zwei.
    Vika lächelt und mustert den Loser, während in mir drin alles gefriert.
    »Vika … er sagt die Wahrheit. Er lügt nie«, beteuere ich und stehe auf. »Wenn er nicht antworten will, schweigt er einfach.« Ich fasse nach ihrer Hand und ziehe sie vom Tisch weg. Der Loser beobachtet uns traurig und völlig unaufgeregt.
    »Ist das ein Witz?«, wendet sich Vika an den Loser.
    »Nein.«
    »Er ist überhaupt nicht imstande, Witze zu machen«, bekräftige ich die Antwort des Losers. »Kannst du die Tiefe verlassen?«
    »Nein.«
    »Bist du ein Mensch?«
    »Nein.«
    »Wer bist du dann?«
    Schweigen.
    »Siehst du?!« Ich brülle fast. »Wie ich gesagt habe!«
    »Vor einer Minute hast du behauptet, ich sei ein Mensch«, erinnert mich der Loser. »Du hast sogar hinzugefügt,
dass du mein Freund sein möchtest. Hast du da gelogen?«
    Jetzt bin ich dran mit Schweigen.
    »Du hast gesagt, dass hier und heute genau das gilt«, fährt er fort. »Dass in der Tiefe jeder er selbst sein kann, ohne Maske. Da gibt es nur die Seele … wenn man an die Seele glaubt.«
    »Nein!«, presse ich heraus. »Nein! Ich habe nicht gelogen!«
    »Was hat dir dann solche Angst eingejagt? Dass ich gesagt habe, ich sei kein Mensch?«
    Ich nicke. Als Vika sich an mich schmiegt, spüre ich, dass sie zittert.
    Ich hätte nicht erwartet, dass ihr das derartige Panik einjagt.
    »Warum bist du nicht schon eher damit herausgerückt?«, schreie ich.
    »Ich habe immer ausreichend Antwort gegeben, Leonid.«
    Plötzlich fängt Vika an zu lachen. Aus vollem Hals. »Ihr seid ja verrückt! Alle beide! Du willst kein Mensch sein?« Sie reißt sich von mir los und geht zum Loser, um nach seiner Hand zu fassen. »Antworte!«
    »Was verstehst du unter dem Begriff Mensch ?«
    »Einen Zweibeiner ohne Federn!«
    »Dann bin ich kein Mensch.«
    Der Alptraum nimmt kein Ende. Der Loser spielt seine eigenen Spielchen, Vika ist fertig, und ich weiß nicht, wie ich diese Kette aus Unausgesprochenem und Rätseln zerreißen soll.

    Eine digitale Intelligenz gibt es nicht! Dafür ist es noch zu früh! Aber mir fehlt die Kraft, die Worte des Losers als Lüge abzutun.
    Das Klingeln, das die Stille durchschneidet, ist geradezu eine Wohltat.
    Vika geht zum Büfett und öffnet die Türchen. Zwischen Dosen, Tüten und Schachteln liegt dort ihr Handy.
    »Ja?«, sagt sie, den Blick fest auf den Loser gerichtet.
    Die Stimme am anderen Ende ist so laut und selbstsicher, dass sogar ich sie höre – und auf Anhieb erkenne.
    »Geben Sie mir den Revolvermann!«
    »Wen?« Vika schafft es, sich sehr überzeugend zu wundern.
    »Den Revolvermann. Sagen Sie ihm, dass der Mann Ohne Gesicht ihn sprechen möchte.«
    Ich nehme Vika das Telefon aus der Hand. »Ja!«
    »Meinen Glückwunsch, Revolvermann. Das zum einen. Und zum anderen würde ich vorschlagen, dass Sie

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