Labyrinth der Spiegel
logisch, schließlich haben die Macher des Labyrinths einen ausgeprägten Sinn für Humor. Und ich kann gut darauf verzichten, meine Eingeweide an der Wagendecke kleben zu sehen.
Das zweite Level endet am Rande von Twilight City. Wir steigen beide aus und geben unsere Ergebnisse in den Computer ein, der in den Ruinen eines kleinen Landhauses untergebracht ist und tadellos funktioniert. Erst danach beruhigt sich mein Fahrer. Ich winke ihm noch einmal zu und bewege mich dann auf einen Gully zu. Der sicherste Weg durch die dritte Etappe führt durch die Abwässer. Nicht viele benutzen ihn, er ist zu ekelhaft, trotz der Dusche am Ende des Levels. Mir ist das jedoch scheißegal. Ich werde durch die Kanalisation gehen, indem ich auf den Bildschirm glotze und die Maus bewege.
»He!«, ruft mir der Typ nach. »Wozu hast du mich eigentlich gebraucht? Du steckst doch sowieso alle hier in die Tasche!«
Wahrscheinlich hofft er auf etwas wie »Zu zweit ist es leichter« oder das Angebot zusammenzubleiben. Aber es hat mir nicht gefallen, dass er fast in die brennenden Autos gebrettert wäre. Deshalb sage ich die Wahrheit: »Ich kann nicht fahren. Und zu Fuß hätte es zu lange gedauert.«
Er bleibt am Rechner stehen, perplex und von Eindrücken überwältigt. Und, nebenbei bemerkt, für das Ende der zweiten Etappe gar nicht schlecht ausgerüstet.
10
Ich bringe vierzehn Etappen hinter mich. In sieben Stunden.
Damit ist heute eine neue Legende geboren.
Ich ziehe eine Spur von Leichen und Trümmern hinter mir her. In der sechsten Etappe halte ich mich etwas länger auf, denn sie ist völlig neu und absolut ungewöhnlich. Danach bleibe ich in der zwölften Etappe hängen, obwohl ich sie, glaube ich, schon kenne. Aber eine Arena ist und bleibt nun mal eine Arena – und das heißt Kampf gegen gut hundert Monster. Das erledigt niemand mit links.
Zum Glück kommen mir die anderen Spieler kaum noch in die Quere. Im Labyrinth machen Gerüchte die Runde, durchlaufen die einzelnen Levels mit einer Leichtigkeit, über die selbst ein Diver nicht verfügt. Gerüchte fürchten sich eben nicht vor der Tiefe , sie lassen sich durch nichts aufhalten.
Normalerweise sind Gerüchte der Feind eines jeden Divers. Diesmal verbreiten sie jedoch Angst, was mir durchaus zugute kommt.
Kurz vorm Ende der vierzehnten Etappe muss ich der Wahrheit ins Gesicht sehen: Ich bin völlig fertig. Als ich kurz aus der Tiefe auftauche, ist es fast sieben Uhr morgens.
Ein Rechner leidet, wenn du ihn abschaltest, bei Menschen ist es genau anders rum.
In der vierzehnten Etappe geht es um das Sportzentrum der Stadt. Der Computer mit dem Spielmenü steht auf dem Schiedsrichtertisch am großen Schwimmbecken, wo die Leichen von krokodilartigen Amphibienmonstern träge im klaren Wasser treiben. Diese Biester sind ziemlich schwer zu töten. Mit der Plasma Gun bringe ich vorsichtshalber erst mal das Wasser zum Kochen. Sobald es sich wieder etwas abgekühlt hat, tauche ich in die stinkende Brühe ein und warte zehn Minuten auf den Angriff von zwei hysterischen Spielern, einem Mann und einer Frau. Die beiden sind nun schon seit den letzten drei Levels hinter mir her. Da sie überzeugt sind, ich würde das Sportzentrum sofort wieder verlassen, sind sie mir förmlich nachgejagt und stürzen nun unvorsichtig, wenn auch höchst eindrucksvoll in den Saal herein. Am Gürtel des Typs hängt ebenfalls eine Plasma Gun, die Frau hält ein Gewehr im Anschlag. Direkt aus dem Tauchgang pfeffere ich eine Rakete auf die beiden. Eine Feuersäule verschluckt sie.
Indem ich mich an dem glitschigen Körper eines gekochten Monsters abtrete, klettere ich aus dem Becken. Von dem Pärchen ist nicht die geringste Spur übrig, denn die Energiezellen der Plasma Gun sind detoniert.
»Ich bin der Revolvermann«, verkünde ich trotzdem. Es ist bereits ein Ritual geworden, und ich habe etwas übrig für gute Traditionen.
Nachdem ich mich mit »Revolvermann, 14«, eingetragen habe, drücke ich auf die Taste zum Verlassen. Wir wollen doch nicht schummeln. Wir wollen uns jetzt hübsch ausruhen – und dann wiederkommen.
Denn ganz bestimmt komme ich wieder.
Im Boden neben dem Schiedsrichtertisch öffnet sich eine Luke. Hier kommst du aus dem Spiel raus. Ich springe in die Öffnung und lande in der Umkleidekabine.
Der Ausgang aus dem Labyrinth ist genauso überwältigend wie der Eingang. Aber er überwältigt auf andere Weise, auf eine sowohl triumphierende wie heitere Art. In dem Raum mit
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