Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)
habe, nie wieder zu einer Beerdigung zu gehen. Ich wollte wiedergutmachen, was ich angerichtet hatte – aber wie?
Es gab nur einen Ort auf der Welt, der weit genug von Sydney entfernt war, von den Erinnerungen, den unausgesprochenen Vorwürfen und den uneingestandenen Gewissensqualen. Ein Ort, um ganz neu anzufangen: Alice Springs, The Last Frontier im roten Herzen der Wildnis.
Der feuchtheiße Wind frischte auf. Shainee hatte die Arme vor der Brust verschränkt, als fröstelte sie in der Brise vom Meer. Auf dem Display seines BlackBerry betrachtete sie sehr aufmerksam das Foto von Jared und Tim, das er eben für sie aufgerufen hatte.
Dieser Schnappschuss war immer sein Lieblingsfoto gewesen. Sein Dad hatte es aufgenommen, als Jared sieben war, und er acht. In staubigen und zerrissenen Latzhosen gingen sie Arm in Arm wie zwei Kumpels ein stillgelegtes und überwuchertes Eisenbahngleis westlich von Sydney entlang. Ihre Blicke waren auf die Schwellen, die Schienen, den Weg vor ihnen gerichtet. Das Ziel unverrückbar vor Augen, beschritten sie ihren Lebensweg – das hatte ihr Dad immer gesagt, wenn er, stolz auf seine Jungs, das Foto herumgezeigt hatte. Nach Jareds Tod hatte dieses Foto für Tim eine andere Bedeutung bekommen. Einer von ihnen würde seinen Weg nicht mehr zu Ende gehen.
»Es tut mir schrecklich leid.«
Tim nickte und blinzelte die Tränen weg, die immer kamen, wenn er an Jared dachte.
Shainee gab ihm das Handy zurück. Das Bild von Jared war verschwunden, das Display war wieder dunkel. »Was ist in Alice Springs passiert?«
Okay, die Kurzversion: »Ich habe Jodi dort getroffen.«
»Deine Frau.«
Der Ton zwischen ihnen war vertraulich geworden. Als würden sie sich seit Jahren kennen.
»Yeah«, nickte er. »Ich bin zum Royal Flying Doctor Service in Alice Springs gegangen. Jodi saß damals im Kontrollzentrum am Telefon und am Funkgerät. Sie hat die Notrufe entgegengenommen, die Einsätze koordiniert und Beratungen an die Ärzte vermittelt.«
»So habt ihr euch kennengelernt?«
»Wir haben über Funk geflirtet, während ich zu meinen Einsätzen in der Wildnis des Northern Territory geflogen bin.« Tim berichtete ihr von seinen Flügen über die blau schimmernde MacDonnel Range und die rot glühenden Dünen der Simpson Desert. Bilder voller Sehnsucht tauchten vor seinem geistigen Auge auf: Glitzernde Wasserflächen bei Sonnenuntergang. Stelzvögel auf Futtersuche zwischen den riesigen Seerosenblättern eines überwucherten Sumpfgebietes. Ein Krokodil auf der weißen Sandbank eines Flusses, der kaum noch Wasser führt. Die zerzausten Kamele im Palm-Valley-Naturschutzgebiet. Und natürlich Uluru: der berühmte Ayers Rock. »Der Royal Flying Doctor Service hat die besten Flugzeuge und das modernste Equipment, um die medizinische Versorgung sicherzustellen.«
»Twenty four hour emergency service, ich weiß, das pure Abenteuer. Ich kenne die australische Fernsehserie The Flying Doctors – ist viel aufregender als Emergency Room .« Sie grinste. »Victor Charlie Charlie im Landeanflug auf das Airfield«, zitierte sie einen Spruch aus der TV-Serie, von der Tim alle Folgen zusammen mit Kyle gesehen hatte. Sein Kleiner war begeistert gewesen.
»Ja, so ist es tatsächlich. Das Team – Piloten, Ärzte und Schwestern – ist schon ein fantastischer Haufen. Einen typischen Tag gibt es nicht. Alles kann passieren, und passiert dann meistens auch. Du bekommt um fünf Uhr morgens einen Anruf. Oder um drei. Raus aus dem Bett und ab ins Flugzeug! Egal, ob draußen ein Sandsturm tobt oder ob es wie aus Eimern schüttet. Du weißt nicht, was dich erwartet, wo du landest, wann du zurückkommst und in welchem Bett du heute Nacht schläfst – falls überhaupt. Ich habe schon auf der Krankenliege ein Schläfchen gemacht, im Landeanflug auf einen schmalen Airstrip in the middle of nowhere.«
Und plötzlich taucht mitten in der Wüste eine Ansammlung von Pickups auf, erinnerte er sich. Menschen halten staubige Decken oder Zweige hoch, um einen Kranken vor der brennenden Sonne zu schützen. Das ist ein Anblick, den du nie vergisst, wenn du die Kabinentür aufschiebst, in der heißen Wüstenluft nach Atem ringst und dann mit deiner Notfalltasche hinunterspringst, um zu den Wartenden hinüberzurennen und ihnen zu helfen. Die freudigen Blicke, die herzlichen »Thankee, Doc«-Umarmungen – das ist ein Gefühl der Zufriedenheit, das dir immer bleibt und das dich für manch anderes entschädigt. Auch wenn du es
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