Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)
niemals vergessen kannst.
»Mit welcher Maschine bist du geflogen?«, fragte Shainee.
»Eine Beechcraft Super Air King.«
»Propeller?«
Tim nickte. »Die Maschine landet auf jedem Airstrip.«
Na ja, auf fast jedem. Auf jeden Fall aber auf dem Highway, wenn dir nicht gerade ein Road Train auf deiner Landebahn entgegenkommt ...
»Hast du einen Pilotenschein?«
»Yeah, obwohl niemals der Doc gleichzeitig der Pilot des Rettungsfluges sein darf. Aber ich wollte fliegen lernen. Daher auch der Spitzname, den Jodi mir gegeben hat.«
Sie hob die Augenbrauen.
»Flydoc.«
Crashpilot hat sie mich nur ein Mal genannt, dachte er, und da war sie ziemlich wütend auf mich. Wegen der Notlandung auf dem Stuart Highway mitten in der Wüste. Selbstverständlich hatte sie Angst gehabt, weil ich mich nicht mehr gemeldet habe und sie gedacht hat, ich wäre abgestürzt! Na klar, ich hatte auch Angst! Wenn’s hart auf hart kommt, bist du im Northern Territory ohne Funk hoffnungslos verloren.
Shainee lachte noch über den Flydoc. »Und wie hast du Jodi genannt, wenn sie am Funkgerät saß?«
»Homebase.«
Sie lächelte matt. »Wie romantisch!«
»Findest du?«, neckte er sie.
»Sehr aufregend.«
»Das war’s«, gestand er mit einem Schmunzeln.
»Erzähl.«
Tja, wie sollte er die Liebe seines Lebens beschreiben? Wie konnte er Shainee sagen, wie glücklich Jodi und er waren, als sie nach wenigen Monaten ein kleines Haus mit verwildertem Garten am Rand von Alice Springs kauften und die Bruchbude renovierten? Hey, er erinnerte sich noch gut an die erste Nacht im Haus. Nie würde er vergessen, wie sie ihm atemlos »Ja ... ja ... ja!« ins Ohr hauchte, während er mit ihr schlief. Konnte ein Mann mehr von seiner Frau geliebt werden als er damals? Zärtlicher? Leidenschaftlicher? Ihr »Ich liebe dich, Tim« war die Antwort auf die Frage, die er ihr in jener Nacht stellte: »Willst du mich heiraten, Jodi?«
Sie wollte ihn. Und ein Kind. Fasziniert lauschte Shainee, als Tim ihr von seinem Crash auf dem Stuart Highway erzählte. Eigentlich war es ja keine Bruchlandung, denn er hätte das Fahrgestell reparieren und wieder starten können. Aber das Triebwerk, die Navigation und der Funk waren während des Sandsturms ausgefallen. Also doch ein Crash? Oder nur eine Notlandung? Alles eine Frage der Perspektive! Von Alice Springs aus sah es jedenfalls nach einem Crash aus. Und genauso reagierte Jodi auch nach Tims Rettung durch einen Road Train – das Foto von dem ausgebleichten Känguruskelett vor dem sandverkrusteten No fuel for 500 miles- Schild fand sie überhaupt nicht lustig.
»Na ja, die Geschichte hätte auch anders ausgehen können ... nicht für Skippy, sondern für mich«, feixte er und schüttelte bei der Erinnerung an Jodis Wutausbruch den Kopf.
Bei der Erwähnung von Skippy musste Shainee lächeln. Kamen da Kindheitserinnerungen hoch?
»Jedenfalls sind wir einige Monate später nach Sydney zurückgekehrt, wo unser Sohn geboren wurde. Kyle ist fünf. Seit den Sommerferien im letzten Januar geht er zur Schule. In seiner Schuluniform mit Shorts und Jacke sieht er echt süß aus.«
»Kann ich mir vorstellen. In dem Alter sind sie noch niedlich.« Sie sagte das in einen Tonfall, der Tim vermuten ließ, sie habe auch ein Kind. »Eure Rückkehr nach Sydney – war das Jodis Wunsch?«
»Yeah.«
»Und du arbeitest wieder als Herzdoc im Krankenhaus.«
»Mit gebrochenen Herzen kenne ich mich aus«, meinte er flapsig.
Sie lächelte traurig. »Was ist zwischen Jodi und dir geschehen?«
»Nichts. Alles.« Tim zuckte mit den Schultern. »Sie hatte letztes Jahr eine Fehlgeburt. Und ich war nicht da.«
Shainee atmete langsam aus. »Wo warst du?«
»In Haiti, wegen des Erdbebens. In meinem Jahresurlaub arbeite ich für Médecins Sans Frontières.«
Sie nickte verstehend. »Der Abenteurer, der seine Freiheit sucht, der Nestflüchter, der seine Selbstverwirklichung findet – immer auf dem Sprung. Entweder bei den Flying Docs oder bei Médecins Sans Frontières.«
»Da hast du wohl Recht. Na jedenfalls, das Beben fand am 12. Januar 2010 statt. Die Helfer haben mit bloßen Händen nach Überlebenden gegraben. Am 13. Januar sollte mein Flugzeug mit OP-Ausrüstung in Port-au-Prince landen – aber wir hatten keine Chance. Überall Chaos! Leichen türmten sich in den Straßen. Schweres Räumgerät wäre notwendig gewesen, um die Verschütteten aus den Ruinen zu retten, Hilfsgüter, Rettungsmannschaften, medizinisches Personal zur
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