Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
war voller Menschen. Wie an ihrer Kleidung und ihren Gesichtern zu erkennen war, kamen sie aus den unterschiedlichsten Gegenden Jawendors und sogar aus den Nachbarländern.
Im Schatten von aufgestellten Planen standen ihre Pferde und Ochsenkarren, denn der Weg nach Narmora war weit. Viele von ihnen mussten sogar des Lesens mächtig sein, denn an etlichen Wänden war mit krakeligen Schriftzeichen zu lesen, welche Lustbarkeiten hier auf die Besucher warteten. Eben dieser Vergnügungen wegen kamen die Leute nach Narmora. Sie blieben einen Tag oder mieteten sich irgendwo für mehrere Nächte ein. Die Unterkünfte waren einfach, aber sauber. Die Wirte wussten, was sie ihren oftmals reichen und vornehmen Kunden schuldig waren.
In Narmora herrschte ein geradezu idealer Zustand: Hier waren alle Standesunterschiede aufgehoben. Alle Menschen waren gleich, vorausgesetzt, sie waren zahlungskräftig. Es gab keine Berührungsängste, und niemand fragte den anderen, wer er sei und woher er komme, noch woher er sein Geld habe. Spitzbuben waren hier genauso willkommen wie ehrbare Kaufleute. Vornehme Würdenträger aus Margan saßen neben schwarz gewandeten Wüstenreitern an einem Tisch und tranken ihr Bier. Mitglieder keusch lebender Gruppen tauschten mit Knaben liebenden Xaytanern Erfahrungen aus, und warum auch nicht? Allein ihre Anwesenheit bewies ja, dass sie ihrer Keuschheit für einige Tage abgeschworen hatten.
In Narmora konnte man für Geld fast alles kaufen: Willige Beischläfer beiderlei Geschlechts und jeden Alters, wobei niemand danach fragte, ob diese ihre Körper tatsächlich freiwillig hergaben. Daneben grassierte das Glücksspiel, bei dem häufig riesige Summen gewonnen oder verloren wurden. Es existierte ein Gerücht, dass es einen Friedhof gäbe, wo all jene lägen, die sich aus Verzweiflung umgebracht hätten. Unnötig zu erwähnen, dass der Alkohol in Strömen floss. Deshalb standen auch vor vielen Türen bullige Leibwächter, die darauf achteten, dass sich jedermann einigermaßen friedlich benahm.
Vor einer Stunde war Caelian in Narmora eingetroffen. Für ein paar Kupferringe hatte er sich auf einem Ochsenkarren mitnehmen lassen. Drei Tage war er auf der Suche nach Rastafan schon unterwegs gewesen. Doch weder in der Köhlerhütte noch in der ›Rabenhöhle‹ bei Mariella hatte er ihn gefunden. Und nun spazierte Caelian hier durch das Grenzstädtchen, von dem er schon gehört, das er sich aber ganz anders vorgestellt hatte. Es wirkte verwahrlost und gleichzeitig auf eine verkommene Art und Weise lebendig. Narmora roch nach Verfall und Lebensgier, es pulsierte wie eine lüsterne Kreatur, die sich von menschlichen Begierden ernährte.
Caelian ließ sich treiben und schlenderte die lange Straße hinab. Er las die Beschriftungen an den Wänden: ›Hier erwarten dich echte Jungfrauen‹, ›Heute Wein und Bier zum halben Preis‹, ›Knaben ab acht Jahren‹, ›Hier wieder neue Ringkämpfe. Es tritt an: der gefürchtete Tyrrenos. Wetten werden noch angenommen‹, ›Goldblonde Mädchen und Jungen aus Samandrien‹. Und auf einer Tafel stand nur: ›Schaukämpfe‹. Caelian konnte nicht wissen, dass sich hinter dem harmlosen Wort bewaffnete Kämpfe auf Leben und Tod verbargen, die – obzwar verboten – sehr beliebt waren.
Mehrmals wurde er von Türstehern eingeladen, das jeweilige Haus zu betreten. So hübsche junge Männer zogen auch andere Kunden an. Er hatte sich nach Rastafan erkundigt, doch immer nur ein Kopfschütteln geerntet. Entweder er ist nicht hier oder man kennt ihn nicht , dachte Caelian. Einer der Türsteher nahm ihn beiseite und raunte ihm zu: »Frage hier nie nach Namen, die haben in Narmora keine Bedeutung. Hier bleibt jeder gern unerkannt.« Dann versuchte er, Caelian plump anzutatschen, doch der schlug ihm auf die Finger. »Du verwechselst mich mit einem Strichjungen, mein Freund.«
»Ach, nun zier dich doch nicht, Bursche. Wozu bist du denn hier?«
»Bestimmt nicht, um einen so fetten Uhu wie dich über meinen Hintern steigen zu lassen.«
»Na was, er wird schon nicht aus Gold sein«, beharrte der Mann und zeigte Caelian ein paar silberne Ringe. »Hier, die gehören dir, wenn du mit nach hinten kommst.«
»Nur wenn du mir sagst, wo ich diesen Rastafan finde.«
Der Mann blinzelte. »Das darf ich dir nicht sagen. Aber an deiner Stelle würde ich mein Bier mal in dem blau gestrichenen Haus da drüben trinken.«
Caelian verneigte sich spöttisch. »Danke für den Rat.«
»He, lauf nicht
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