Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
nicht abschütteln.
Als er halb besinnungslos vom vielen Wein in seinem Zimmer gelegen hatte, hatten sich die Erinnerungen in seinem Schädel gedreht wie ein Mühlrad. Das Lager der Berglöwen war ihm wie ein Ort der Glückseligkeit erschienen. Im Winter hatten sie gefroren, denn die Hütten waren dürftig. Nicht immer hatten sie genug zu essen gehabt. Stets hatten sie vor den Häschern auf der Hut sein müssen. Es war ein armseliges Leben gewesen und doch – ein wunderbares Leben!
Nein, du musst dich irren! , hatte sein weinseliger Verstand ihm zugeflüstert. Wie konnte es wunderbar sein?
Weil du von Freunden umgeben warst! , hatte eine andere Stimme geraunt. Niemals hast du dich einsam und verlassen gefühlt. Die Winter waren kalt, aber die Herzen waren warm, sie schlugen füreinander. Und du hast das alles aufgegeben …
Als er in das Lager einritt, erwartete man ihn schon, denn die Späher hatten ihn gesichtet. Als Rastafan vom Pferd stieg und seine Gefährten erblickte, fühlte er, wie ein wenig von seiner Lebensfreude zurückkehrte. Er umarmte jeden Einzelnen von ihnen, und in ihren Gesichtern las er die Erleichterung, dass er sie nicht vergessen hatte. Manche hatten wohl nicht mehr damit gerechnet. War das, was sich in Margan abgespielt hatte, bereits bis zu ihnen gedrungen? Hatte Tasman wie versprochen geschwiegen?
Bald saßen alle um ein rasch entzündetes Lagerfeuer. Ja, fantastische Gerüchte hatten sie vernommen, aber nicht glauben können. Sie starrten Rastafan ehrfürchtig an, denn seiner Kleidung nach zu urteilen, schienen die Gerüchte wahr zu sein: Ihr Hauptmann war ein Prinz.
Sie konnten Rastafan nur einen mageren Hasen anbieten, doch es gab genug Bier für alle. Er trank den Männern zu, und dann begann er zu erzählen.
»Ihr dachtet, Mama Zira und ich hätten euch falsche Versprechungen gemacht und euch vergessen? Und doch ich bin hier. Ich würde die Berglöwen niemals im Stich lassen.«
»Aber wenn du jetzt in Margan bist und zu denen gehörst, dann musst du doch gegen uns sein?«, wandte einer von ihnen ein.
Rastafan nickte. »Wenn ihr Räuber bleiben wollt, dann müsste ich zumindest den Anschein erwecken, als bekämpfte ich euch. Aber weshalb solltet ihr das wollen? Alle, die ihr hier seid, habt es vorgezogen, als Gesetzlose zu leben, weil man euch übel mitgespielt hat. Ich gebe euch die Gelegenheit, wieder in die Gemeinschaft der anderen zurückzukehren. Der König hat euch alle begnadigt. Ihr seid frei zu tun, was euch beliebt. Kehrt in eure Dörfer zurück oder kommt mit mir nach Margan. Niemand wird euch verfolgen.«
Begnadigt? Sie schauten etwas verwirrt drein und wussten nicht, ob das ein Geschenk oder eine Bedrohung war.
»Und Mama Zira soll tatsächlich unsere Königin werden?«, rief einer und durchbrach die plötzlich aufgetretene Stille. Alle lachten.
»Ja. In Margan wird künftig ein anderer Wind wehen.«
»Darauf warten alle im Land, nicht nur wir«, sagte Tasman, der neben Rastafan saß.
Rastafan zögerte mit der Antwort. »Noch bin ich nicht König, also Geduld, meine Freunde.«
34
Als Borrak hörte, er solle zum Prinzen kommen, gaben seine Knie nach wie morsche Balken, und er musste sich erst einmal setzen. Was hatte das zu bedeuten? Sein Herz schlug wie ein Schmiedehammer. Der Bote sah ihn ungnädig an. Er stand in den Diensten des Prinzen und fürchtete sich nicht vor dem Hauptmann. »Prinz Rastafan duldet keine Verzögerung.«
»Natürlich, es ist nur – die hohe Ehre hat mich richtig umgehauen.« Borrak grinste schief, doch dem Boten war diese Redeweise fremd, und er grinste nicht zurück.
Borrak wankte ihm hinterher, schweißüberströmt und halb tot vor Angst. Das Bild ging ihm nicht aus dem Sinn: Bagatur, der gefürchtete Räuber, gepfählt und dumpf stöhnend. Die meisten schrien, bis sie das Bewusstsein verloren. Bagatur hatte sich gut gehalten, und Borrak war stolz gewesen, den Einwohnern von Margan diesen Anblick bieten zu können, denn nur selten konnte er sie die Prozedur in ihrer ganzen Länge auskosten lassen. Die meisten gaben bereits den Geist auf, wenn sie den Pfahl nur erblickten. Sie kippten einfach um. Sehr ärgerlich. Aber nun fürchtete Borrak, er werde selbst gleich umkippen. In seinem Kopf ratterte es: Das halte ich nicht aus, das halte ich nicht aus …
Als er Rastafan gegenübertrat, taumelte er zurück vor der Majestät, die dieser ausstrahlte. Das war ein Mann! Sein langes, goldbesticktes Gewand unterstrich seine Schönheit,
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