Lacunars Fluch, Teil 1: Der Auftrag (German Edition)
er sich gefasst. Hocherhobenen Hauptes ging er auf ihn zu, maß sorgfältig seine Schritte und richtete den Blick seiner kristallblauen Augen, deren Wirkung er sich bewusst war, durchdringend auf den Strauchdieb. Seine machtvolle Präsenz dürfte genügen, diesen ungehobelten Waldschrat mit demütig gesenktem Kopf auf die Knie zu zwingen und ihm so den Weg freizumachen. Doch der Mann wich nicht zur Seite. Offenbar hatte er es mit einem tumben Gesellen zu tun, der die Majestät eines Sonnenpriesters nicht erkannte. Ärgerlich! Nun war er gezwungen, das Wort an ihn zu richten. Er strich sich die Kapuze vom Kopf, entblößte seinen heiligen Zopf und zeigte sich ihm in seiner ganzen Schönheit, die seine Mitbrüder stets so verwirrte. Doch obwohl er jetzt nur noch zwei Schritte von ihm entfernt war und seinen erdigen Geruch einatmete, stand der Flegel immer noch fest verwurzelt da wie eine hundertjährige Eiche.
»Du da! Gib den Weg frei! Jaryn, ein Achayane aus dem Sonnentempel zu Margan, befiehlt es dir.«
Der andere verneigte sich spöttisch. »Hocherfreut. Ich bin Rastafan vom Rabenhügel. Einer, der sich von kleinen, dummen Jungen nichts befehlen lässt.«
Jaryns Augen schossen Blitze, er umklammerte das Feuerauge auf seiner Brust und zischte: »Du Kothaufen wagst es, einen Sonnenpriester zu beleidigen?« Seine rechte Hand schoss vor, als wollte er ihn bannen. »Dafür wirst du siebenmal siebzig Tage auf dem Flammenrost braten.«
»Was für ein unfreundlicher Wunsch!«, knurrte der andere. Mit einem Satz packte er ihn und zerrte brutal an der Goldkette mit dem Feuerauge. Als sie nicht zerriss, streifte er sie Jaryn so grob über den Kopf, dass sich einige Haare in ihr verfingen. »Die kann ich besser gebrauchen als du, mein Freund, glaube es mir.«
Jaryn war erstarrt wie unter dem Frosthauch des Gletschermannes. Dieser Unmensch hatte ihn angefasst! Und er hatte ihm das Flammenauge geraubt. Was für ein Sakrileg! Aber er konnte es nicht verhindern, sein Kopf war so leer wie eine taube Nuss. Er wartete auf den Blitz, der diesen Unhold, der sich anschickte, göttliche Gesetze außer Kraft zu setzen, niederschmettern musste. Aber nichts geschah. Ein abgrundschwarzes Augenpaar näherte sich seinem Gesicht. Gierig und mitleidslos. Weiß blitzende Zähne öffneten sich zu einem raubtierartigen Lächeln.
»Was bist du für ein hübscher Junge!« Eine große Hand mit langen Fingern, braun gebrannt wie Bauernhände, schob sich unter sein Kinn. »Ja wirklich, so etwas ist mir noch nicht untergekommen.« Er leckte sich über die Lippen wie ein Löwe vor der Mahlzeit.
»Du weißt nicht, was du tust!«, keuchte Jaryn, während er angewidert sein Gesicht abwandte. »Ich bin heilig, heilig! Verstehst du?«
Der Räuber nickte. »Klar, das sehe ich doch. Nur Heilige tragen so einen entzückenden Rock. Aber arg lang ist er, da kommst du wohl oft ins Stolpern? Den solltest du lieber ausziehen.« Bevor Jaryn darauf etwas erwidern konnte, hatte der Unverschämte ihm den schönen Stoff mit roher Kraft über der Brust aufgerissen. Jetzt begann sich Jaryn mit Händen und Füßen gegen den barbarischen Überfall zu wehren, versuchte ihn zu schlagen und zu treten, aber der Mann lachte nur. Mit der Linken drückte er ihm die Kehle ab, mit der Rechten betatschte er seine Brust, streichelte sie, knetete seine Muskeln und kniff ihm in die Brustwarzen. »Für einen Stubenhocker bist du nicht schlecht gebaut.« Er riss ihm das Gewand bis auf die Schenkel auf. Seine Hand glitt tiefer, strich über den Bauchnabel und verharrte über dem Hüfttuch, als warte er auf ein ganz besonderes Erlebnis. »Du bist ja noch kostbarer als deine goldene Kette!«, stieß er hervor, während sein heftiger Atem in Jaryns Ohren klang wie ein Blasebalg. »Was magst du wohl unter diesem dummen Tuch verbergen, heiliger Jüngling?« Mit einem Ruck zog er es ihm vom Leib. »Ach, ich ahnte es. Die heilige Lanze. Das trifft sich gut. Ich besitze auch eine. Ist vielleicht weniger heilig als deine, aber für ein gutes Gefecht unter Männern allemal zu gebrauchen.«
Rohes Lachen folgte. Jaryn hatte es aufgegeben, sich gegen den Mann zu wehren. Er schloss erschöpft die Augen, und als er gierige Finger an der verbotenen Stelle spürte, die Achay vorbehalten war, hoffte er, dass alles nur ein böser Traum war. Das hier, das konnte ihm einfach nicht geschehen, es war nicht möglich, es war …
Ihm wurde nicht viel Zeit zum Träumen gelassen. Rüde zwang ihn der Klotz auf
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