Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
Ich war ihr Berater, sonst nichts.«
»So kommen wir nicht weiter«, mischte sich Astvar ein. »Die gegenseitigen Vorwürfe führen zu nichts. Wir erfahren, wer Doron gehasst hat, wer sich des Throns bemächtigen möchte und wer schon deshalb ein böser Mensch sein muss, weil er früher als Gesetzloser gelebt hat. Das alles könnte hilfreich sein, wenn es zusätzlich zu einem klaren Beweis vorgebracht würde. Da haben wir den Brief. Es stellt sich aber heraus, dass auch er nicht zu Klarheit und Wahrheit führt.« Er räusperte sich einen Moment und sah alle der Reihe nach an. »Ich denke, wir sind uns einig, dass Prinz Rastafan ohne dieses Schreiben überhaupt nicht vor Gericht stünde. Deshalb ist es notwendig, dass wir uns ausschließlich auf den Brief und seine Hintergründe konzentrieren.«
Suthranna nickte. »Ich teile deine Auffassung, Astvar. Ohne das Schreiben gäbe es keinen Hinweis auf eine Beteiligung des Prinzen an dem Mord. Zahira kann diesen Entschluss ganz allein gefasst haben. Ebenso kann es aber auch eine spontane Tat gewesen sein. Lediglich das Schreiben an Lacunar deutet auf eine Verschwörung hin.«
»Ich möchte noch hinzufügen«, sagte Astvar, »dass sich im Laufe der Verhandlung so etwas wie ein zweiter Verdächtiger ergeben hat. Gegen Gaidaron spricht genauso viel wie gegen den Prinzen Rastafan.«
Gaidaron fuhr von seinem Platz hoch. »Das ist eine Unverschämtheit! Ich habe die Verschwörung aufgedeckt und soll nun verdächtig sein?«
Suthranna sah ihn ernst an. »Das kommt leider öfter vor, als man denkt.« Dann erhob er sich und sagte: »Beim derzeitigen Stand der Verhandlung können wir keine genaue Aussage treffen. Deshalb wird sie in drei Tagen fortgesetzt. Bis dahin hat jeder der Beteiligten Beweise für seine Behauptungen vorzubringen.«
Gaidaron war außer sich. »Was denn für Beweise? Ich habe den Brief inmitten der Einladungen gefunden, die ich im Arbeitszimmer des Prinzen in der Tasche verstaut habe. Wie hätte ich ihn schreiben können? Von diesem Lacunar habe ich nichts gewusst.«
»Du wiederholst dich«, erwiderte Suthranna kalt. »Das alles ist bereits zur Sprache gekommen.«
»Ich habe einen Zeugen!«, rief Rastafan plötzlich.
Gaidarons Kopf zuckte herum. Suthranna sah den Prinzen freundlich an. »Und sein Name?«
»Der Sonnenpriester Saric. Er kann bestätigen, dass ich überhaupt nicht schreiben kann.«
Sagischvars Kopf ruckte hoch, durch seinen Körper lief ein Beben. Saric? Was hatte er mit dieser Sache zu tun? Ausgerechnet er sollte Rastafan entlasten wollen? Den Mann, der Jaryn getötet hatte?
Sagischvar hatte den Prozess stumm verfolgt, denn er war Rastafan gegenüber befangen und wollte keine vom Hass vergifteten Reden führen. Aber seine Abneigung gegen den Mann, der einen heiligen Sonnenpriester getötet und damit die Zukunft Jawendors wieder in Razoreths Hände gegeben hatte, war groß. Alle Sonnenpriester hassten Prinz Rastafan, und Sagischvar machte da keine Ausnahme. Aber er ließ sich wieder zurück gegen die Stuhllehne fallen. Es war Rastafans Recht, jeden als Zeugen zu benennen.
»Gut«, sagte Suthranna. »Dann werden wir Saric in drei Tagen hören. Und vielleicht auch noch andere Zeugen. Die Verhandlung ist für heute geschlossen.«
Alle strebten dem Ausgang zu. Als Letzter schlich Gaidaron hinaus. Es war nicht gut für ihn gelaufen, dabei wusste er den größten Teil des Hofstaates hinter sich. Viele hatten ihm vor der Verhandlung zugeflüstert, dass sie ihn als zukünftigen König sehen wollten. Und nun hatten Suthranna und Astvar mit ihrem zwanghaften Hang nach Gerechtigkeit den Schlamm so aufgerührt, dass alles undurchsichtig geworden war. Ausgerechnet die Mitbrüder aus dem Mondtempel waren ihm in den Rücken gefallen. Fieberhaft überlegte er, was dieser Saric wohl beweisen konnte? Und warum wollte der Sonnenpriester Rastafan entlasten?
Er war so in Gedanken, dass er nicht auf die anderen achtete. Als er sich zwei Schritte hinter Rastafan befand, drehte dieser sich ruckartig zu ihm um. »Ich habe dich gefickt, Gaidaron, und ich werde dich wieder ficken«, zischte er ihm zu. »Vergiss das nie!«
Gaidarons Miene versteinerte. Die Wachen zogen Rastafan mit sich, und der Spuk war vorüber. Aber Gaidaron fragte sich, ob er mit dem Brief nicht einen großen Fehler begangen hatte.
*
Die Gerüchteküche in Margan funktionierte deshalb so hervorragend, weil jedermann bestrebt war, alles unter der Decke zu halten. Geheimnisse bekamen große
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