Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
dritten Hof und kann weder lesen noch schreiben.«
»Über den Brief weiß er nichts«, erwiderte Orchan tapfer, »aber über Euch, Gaidaron, kann er eine Menge erzählen.«
»Was soll diese Küchenschabe schon über mich erzählen können? Lügen, nichts als Lügen. Weil er verbittert ist, dass er nicht mehr Hauptmann ist.«
»Dann würde er wohl gegen den Prinzen aussagen«, warf Astvar spöttisch ein. »Denn dieser war es, der ihn degradiert hat.«
»Ach, jeder hier weiß doch, was Borrak für ein Mensch ist. Einer, dem niemand die Hand geben mag. Jeder hasst ihn, deshalb hasst er alle anderen. Wir sind ein paar Mal aneinandergeraten, nun sieht er die Gelegenheit, es mir heimzuzahlen. Das ist so durchsichtig.«
Orchan schüttelte den Kopf. »Borrak weiß gar nichts davon, dass ich hier bin.«
»Und du, woher willst du wissen, was Borrak angeblich weiß?«
»Von ihm selbst. Er war oft bei mir und hat mir sein Herz ausgeschüttet. Natürlich weiß ich nicht, ob er die Wahrheit gesagt hat. Das muss das Gericht selbst herausfinden.«
Suthranna beugte sich nach vorn. »Und du glaubst, Borraks Aussage hat für diese Verhandlung eine Bedeutung?«
»Ich glaube das. Ja. Und durch die gereizte Reaktion des Mondpriesters Gaidaron fühle ich mich darin bestärkt.«
Sangor und Astvar sowie die beiden Priester steckten die Köpfe zusammen. Kurz darauf verkündete Suthranna, dass man Borrak vorladen wolle. Gaidaron wurde aschfahl. Aber er sagte nichts, denn das hätte ihn nur belastet. Jetzt half nur hartnäckiges Leugnen und – bezüglich des Briefes – bei seiner Aussage zu bleiben.
Rastafan zerbrach sich den Kopf, auf welche Weise Borrak ihn entlasten könne. Nach der Art, wie er mit ihm umgesprungen war, vermutete er eher das Gegenteil. Borrak wusste offenbar etwas Übles über Gaidaron, aber das konnten doch auch nur Gerüchte sein, die hier niemanden interessierten.
Es dauerte eine Weile, bis man Borrak brachte. Der arme Kerl war schneeweiß im Gesicht, seine weit aufgerissenen Augen sahen sich erschrocken im Saal um. Als er Gaidaron erblickte, stöhnte er auf und wollte keinen Schritt mehr weitergehen. Die Gerichtsdiener schoben ihn vorwärts in den Zeugenstand. Dort stand Borrak wie ein Häufchen Elend und klammerte sich an der Absperrung fest. Ihm war es unerklärlich, was man von ihm wollte. Er wusste doch nichts von dem Mord, von einer Verschwörung oder einem Brief. Ein entsetzlicher Gedanke durchzuckte ihn: Wollte man all die furchtbaren Sachen, um die es hier ging, vielleicht ihm in die Schuhe schieben? Suchte man einen Schuldigen, weil man weder einen Prinzen noch den Neffen des Königs belasten wollte?
Er hielt seinen Blick gesenkt. Als Suthranna ihn ansprach, zuckte er zusammen. »Borrak, der Kaufmann Orchan hat ausgesagt, dir seien Dinge bekannt über Gaidaron, den Neffen des Königs. Und diese könnten angeblich etwas zu unserer Beweisfindung beitragen.«
»Orchan?« Borraks gehetzter Blick flog zu den Zuschauerbänken. Ja, dort saß der kleine, schlaue Mann, er hatte ihn bisher nicht bemerkt. Diese Ratte! Dieser Verräter! Borrak knirschte mit den Zähnen.
»Nun?«, hakte Suthranna ungeduldig nach.
»Ich weiß nichts, gar nichts«, gurgelte er. »Das muss ein Irrtum sein.«
»Dann rufe ich noch einmal Orchan in den Zeugenstand.«
»Nein, nein!«, rief Borrak. Er befand sich in einer fürchterlichen Klemme und keuchte vor Angst. »Ich habe ihm nur meine Befürchtung mitgeteilt, dass jemand versuchen könnte, den Prinzen zu töten.«
»Den Prinzen? Nicht den König?«
»Den König? Nein. Davon war nicht – ich meine, ich hatte keinen Grund, das zu glauben.«
»Aber für einen Anschlag auf das Leben des Prinzen durchaus?«
»Ja – das heißt, ich hatte natürlich keine Beweise.«
»Aber du musst doch einen Anhaltspunkt gehabt haben.«
Borraks Lider flatterten. Seine Blicke huschten hin und her wie ein gefangener Vogel. »Ja schon, ich hatte da so einen Verdacht.«
»Und den hast du Orchan mitgeteilt?«
»Ja.«
»Wen hattest du in Verdacht?«
»Das – das kann ich nicht sagen. Nicht hier.«
»Wo denn, wenn nicht vor einem königlichen Gericht?«
»Weil er mich umbringen wird!«, schrie Borrak in höchster Not.
»Dann befindet er sich im Raum?«
Borrak nickte.
»Du musst uns sagen, wer es ist. Wenn du die Wahrheit sagst, wird dir nichts geschehen. Wir werden dich beschützen.«
Borrak lachte heiser. »Vor ihm?«
»Den Namen!«, donnerte Suthranna.
»Gaidaron«,
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