Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
flüsterte Borrak.
Niemand im Raum war wirklich überrascht. Deshalb fuhr Suthranna auch ohne Zögern fort: »Du willst sagen, Gaidaron wollte den Prinzen Rastafan ermorden?«
»Nein, nein! Ich habe nur – ich dachte …«
»Warum hast du das gedacht?«
Borrak wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich wusste nicht, ob er es wirklich vorhatte. Und wenn ja, wie er es tun würde.«
»Gründet dein Verdacht darauf, dass Gaidaron als Neffe des Königs der Thronfolger war, bevor es den Prinzen Rastafan gab?«, fragte Astvar dazwischen.
Borrak schüttelte stumm den Kopf.
»Worauf dann?«
Borrak wusste, dass er verloren hatte. Hier kam er nicht mehr heil heraus. Aber wenn es so war, dann sollte Gaidaron mit ihm untergehen. Er hob den Kopf. »Weil er bereits den Prinzen Jaryn beseitigen wollte.«
Jetzt ging ein Raunen durch den Raum. Rastafan zerdrückte einen Fluch zwischen den Zähnen. Sagischvar hob den Kopf und sah Borrak scharf an. Zum ersten Mal ergriff er das Wort: »Woher weißt du das?«
»Weil Gaidaron mir den Auftrag dazu erteilt hat.«
»Du solltest Jaryn töten?«
»Ja, aber ich habe es nicht getan.«
Alle Blicke ruhten jetzt auf Gaidaron. Der lehnte sich gelassen zurück. »Von den edlen Männern, die hier versammelt sind, wird doch nicht wirklich ein einziger diesen Unsinn glauben. Zuerst wollte ich also Jaryn umbringen, danach Rastafan, und den König habe ich wohl auch noch ermordet? Das ist so lächerlich, dass mir die Worte fehlen.«
»Wer sich des Throns bemächtigen will, wagt viel«, sagte Sagischvar. »Natürlich war von uns niemand dabei, also wissen wir nicht, ob es diesen Auftrag gegeben hat. Aber ich gebe zu bedenken, dass Borrak sich mit diesem Geständnis selbst schwer belastet. Er hat Jaryn nicht getötet, aber er hat es auch nicht gemeldet, was seine Pflicht gewesen wäre. Deshalb halte ich Borraks Aussage für glaubwürdig.«
»Aber ein Beweis ist es nicht«, sagte Sangor.
»Für den Brief? Nein.« Er erhob sich. »Ich beantrage, die Verhandlung zu unterbrechen, damit wir uns beraten können.«
Suthranna nickte. Leise erteilte er Astvar einen Befehl. Als alle hinausgingen, standen neben Gaidaron plötzlich zwei bewaffnete Wächter.
*
Zu der Unterredung wurde auch Anamarna hinzugezogen. Nachdem man ihn über den bisherigen Verlauf unterrichtet hatte, wurde er um seine Meinung gebeten. Er hatte sich alle Argumente ruhig angehört. Schließlich sagte er: »In diesem Prozess kann niemand schuldig gesprochen werden, weil die endgültigen Beweise fehlen. Aber die Waagschale senkt sich für Gaidaron, denn die Aussagen sprechen gegen ihn. Für Rastafans Schuld hingegen spricht kaum etwas, abgesehen von dem Brief. Ich glaube jedoch, dass Gaidaron ihn verfasst hat, um Rastafan zu schaden und zu stürzen. Ich glaube auch, dass er Borrak mit dem Mord an Jaryn beauftragt hat und schließlich, dass er es war, der Zahira zu dem Mord am König aufgestachelt hat. Ja, all das glaube ich, aber ich kann es ebenso wenig beweisen wie ihr. Doch ich sage euch, wenn wir Rastafan aufgrund des Briefes verurteilen, dann wird Gaidaron König, und das darf niemals geschehen.«
»Wäre Rastafan der bessere König?«, gab Sagischvar zu bedenken.
»Wer kann in die Zukunft blicken? Aber ich habe einen günstigen Eindruck von ihm erhalten.«
»Ich verstehe dich nicht«, sagte Sagischvar. »Er hat seinen eigenen Bruder ohne zu zögern umgebracht.«
Anamarna nickte nachdenklich. »Ja, das ist wahr. Aber er hat es längst bereut. Tief bereut.«
»Woher willst du das wissen?« Sagischvar ärgerte sich über Anamarna, der sich auf Rastafans Seite stellte.
»Das habe ich von Saric gelernt. Habt ihr ihn nicht gehört? Er hat Rastafan deshalb vergeben. Und wer der Reue fähig ist, der ist auch zur Umkehr fähig. Rastafan kann immer noch in Jaryns Fußstapfen treten. Die Ereignisse werden ihn nicht unberührt lassen.« Und als er sah, dass Sagischvars Zornesfalten sich nicht glätteten, berührte er ihn am Arm. »Dein Novize konnte ihm vergeben, sei du größer als er und vergib ihm auch.«
Sagischvar brummte etwas, das sich anhörte wie: ›Meinetwegen.‹
»Wir können dem Prinzen vergeben«, meldete sich jetzt Astvar zu Wort, »aber die Sache mit Jaryn ist nicht Gegenstand der Verhandlung. Wenn, wie Ihr ganz richtig sagt, Anamarna, die Beweise nicht ausreichen, wie soll dann unser Urteil ausfallen? Soll der Königsmord ungesühnt bleiben?«
»Aber er wurde doch schon gesühnt«, meinte Suthranna.
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