Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
unverschämten Preis ergatterten sie ein winziges Zimmer unter dem Dach einer schäbigen Schenke, das außer Schutz vor der Witterung und zwei Strohsäcken keinerlei Bequemlichkeiten bot. Doch sie hatten nicht vor, lange in Narmora zu verweilen. Die Stadt war außer einem Vergnügungszentrum auch der Ausgangspunkt mehrerer Handelswege durch die Wüste. Es war folgerichtig, ihre Reise von hier aus zu beginnen.
Zuerst mussten sie sich wüstentaugliche Kleider besorgen. Nach längerem Suchen und Feilschen fanden sie einen Händler, der ihnen diese im Tausch für ihre kostbaren Gewänder anbot. Es handelte sich um knielange, langärmelige Kittel, unter denen sie lange Hosen trugen, dazu geschnürte Stiefel. Darüber zogen sie weite Kapuzenmäntel, die sie noch besser verbargen als ihre Xaytaner Tracht.
Auf diese Weise ausgestattet, glaubten sich Jaryn und Caelian für ihre Reise gerüstet und vor neugierigen Blicken sicher. Denn Caelian hatte Schwarze Reiter entdeckt. Das Felsental Araboor, wo Lacunar sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, war nur knapp einen Tagesritt von Narmora entfernt. Aber auch aus Margan mochten sich Leute hier aufhalten, die sich an Jaryn erinnerten, der, wo immer er auftauchte, durch seine Schönheit auffiel. Mit den neuen Sachen fühlten sie sich unbeobachtet, denn in der wüstennahen Grenzstadt gehörten sie einfach zum Straßenbild.
Jedermann riet ihnen, sich einer Karawane anzuschließen und niemals allein zu reiten. Das hatten sie auch vor, doch zuerst erkundigten sie sich nach der legendären Stadt. Sie wanderten die lange Straße hinauf und hinunter und horchten sich in den Tavernen um. Dabei ließen sie manchen Silberring in den Händen von Männern, die behaupteten, den Weg dorthin zu kennen. Doch alle widersprachen sich in ihren Aussagen, und am Ende merkten sie, dass die Gauner sie nur um ihr Silber erleichtern wollten.
Erschöpft kehrten sie in einem Gasthaus ein, das sich in gehöriger Entfernung vom Blauen Bullen befand, wo die Schwarzen Reiter gern einkehrten.
Der Gastraum war überfüllt, es roch nach Schweiß, Bierlachen und Bratendunst. Zwei Silberringe verhalfen ihnen zu Plätzen in einer ruhigen Ecke. Die bisherigen Gäste wurden vom finster aussehenden Wirt ›gebeten‹, sich woanders niederzulassen. Weder Jaryn noch Caelian hatten bei diesem Platzkauf Gewissensbisse. Die waren ihnen beim Herumlaufen durch die heiße, staubige Straße abhandengekommen. Das kühle Bier, das ihnen ein halbwüchsiger Junge brachte, hießen sie von Herzen willkommen.
Caelian beobachtete Jaryn von der Seite. Schon die ganze Zeit machte er sich Sorgen, ob dieser die Strapazen überstehen würde. Seit er geglaubt hatte, Jaryn für immer verloren zu haben, hatte er das ständige Bedürfnis, diesen zu beschützen, doch er durfte nichts sagen, dann reagierte Jaryn wie ein gereizter Tiger.
Er schien bis jetzt auch alles gut überstanden zu haben, aber Caelian fürchtete, er reiße sich nur zusammen und verberge, wie es wirklich um ihn stand. Immerhin hatte er ein wenig Farbe bekommen. Die würde die Wüstensonne noch vertiefen. Die trockene Luft wäre auch gut für seine Lungen. Sie war Jaryns Schwachstelle, und manchmal hustete er. Aber die Anfälle hatten schon nachgelassen.
Jaryn hatte sich verändert, und es wäre merkwürdig gewesen, wenn das nicht der Fall gewesen wäre. Wer von den Toten auferstand, der musste als ein anderer Mensch erwachen. Jaryn war in vielen Dingen noch derselbe, aber er war entschlossener und härter geworden, vor allem gegen sich selbst. Der Schreibstubenhocker, der sich Stäubchen vom Ärmel blies, war Vergangenheit. Er legte jetzt viel Wert darauf, seinen Körper zu ertüchtigen. Vielleicht, weil er nie wieder einem anderen wehr- und waffenlos gegenübertreten wollte.
»Wir haben es falsch angefangen«, sagte Jaryn, nachdem er seinen Durst gestillt hatte. »Jetzt weiß es ganz Narmora, was wir vorhaben.«
»Na und?«
Jaryn starrte nachdenklich vor sich hin. »Wenn es diese Stadt nicht gibt, bedeutet es nichts. Wenn es sie aber gibt, dann hätten doch schon andere nach ihr gesucht.«
»Ach, du meinst, dort liegen Schätze vergraben?«
»Ich weiß es nicht, aber jedermann würde es vermuten. Ich sage dir: Entweder wurde Zarador bereits gefunden und wieder vergessen, weil es dort nichts zu holen gibt, oder …«
»Ja?«
»Oder es wurde gefunden, ausgeraubt und dann vergessen.«
»Oder es wurde noch nicht gefunden.«
»So ist es. Und dann könnte uns auch
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