Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
Neue ist das, was stattdessen kommt.«
»Aber ist es auch besser?«
»Alles, was sich hier ändert, kann nur besser sein, denn alles ist schlecht. Ich weiß nur nicht, wo ich anfangen soll. Also beginne ich in Caschu. Und wenn mir niemand dazu raten will, muss ich die Sache selbst in die Hand nehmen. Ich bin der König. Am Ende muss doch geschehen, was ich will.«
»Natürlich«, sagte Saric. »Wollen wir jetzt noch einmal die korrekte Schreibweise einiger schwieriger Wörter durchnehmen?«
Rastafan starrte vor sich hin. Er war mit seinen Gedanken ganz woanders und hatte nicht zugehört.
»Saric«, sagte er plötzlich. »Was denkst du von mir?«
Saric erbleichte. Auf so eine Frage konnte er unmöglich antworten.
»Sage die Wahrheit. Hältst du mich für einen schlechten König, weil ich Jaryn getötet habe?«
In Sarics aufgerissenen Augen spiegelte sich Bestürzung. »Herr, was redet Ihr da? Ihr seid – ich meine, es kommt mir nicht zu, ein Urteil über Euch zu fällen.«
»Und doch fordere ich dich dazu auf.«
»Ihr seid weder ein schlechter König noch ein schlechter Mensch. Aber ein Gezeichneter, und Ihr tragt eine große, eine furchtbare Last.«
»Vor Gericht hattest du mir vergeben. Warum?«
Bei Achay! Weil ich wusste, dass Jaryn lebt!
, hätte er ihm am liebsten ins Gesicht geschrien, aber er durfte es nicht. »Weil Vergebung für einen neuen Anfang notwendig ist«, erwiderte Saric nicht ganz aufrichtig, denn es war ihm damals nicht leicht gefallen.
»Ja. Du hast recht. Man kann nicht mit einem Kamel auf dem Rücken einen Fluss durchschwimmen. Aber es will und will nicht absteigen. Ich hoffe, ich werde es eines Tages los.«
Nachdem er Saric entlassen hatte, ließ er Achhardin zu sich rufen. Dieser befleißigte sich öliger Freundlichkeit, als er Rastafan gegenüberstand. Er wusste, dass dieser auf höfische Umgangsformen keinen Wert legte, also bemühte er sich um Ungezwungenheit.
Rastafan hielt zwar nichts von der Hofetikette, dafür pflegte er immer gleich zum Kern seines Anliegens zu kommen. Er klopfte auf das Pergament neben sich. »Das hier ist der Nachlass meines Vorgängers – ich meine nicht Doron, sondern Prinz Jaryn. Ihr erinnert Euch? Es ging um Caschu und seinen Statthalter Taymar.«
»Aber gewiss doch. Die Sache wurde damals geklärt. Taymar waren die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht nachzuweisen.«
»So? Weshalb finde ich dann keine Protokolle darüber in dieser Akte? Außer der Niederschrift von Prinz Jaryn und Eurem nichtssagenden Bericht existiert nichts über diese Angelegenheit. Oder befinden sich entsprechende Schriftstücke unter Eurer Aufsicht?«
»Es – wurde damals nichts niedergelegt, weil …« Achhardin überlegte kurz. »Weil König Doron es nicht für erforderlich hielt.«
»Es ist leicht, die Schuld auf einen Toten zu schieben. Ich hingegen sage Euch, diese Vorwürfe sind niemals nachgeprüft worden. Es ist nichts unternommen worden. Die Sache wurde einfach fallen gelassen, nicht wahr?«
Achhardin biss sich auf die Unterlippe. »Es hat sich – sozusagen – so verhalten. Wir alle hielten diese Vorwürfe damals für nichtig, weil sie ausschließlich von seinen Untertanen vorgebracht worden waren.«
»Demnach waren sie falsch?«
»Nicht falsch, aber unerheblich, mein König, was ein Unterschied ist.« Achhardin lächelte süffisant.
Rastafan blieb ruhig. »Ja, ich sehe den Unterschied. Es gibt noch einen weiteren, Achhardin, und den solltet Ihr beherzigen: Euer neuer König heißt Rastafan. Doron ist tot. Und Euer neuer König vertritt hier eine andere Auffassung. Ihr seid für die Verwaltung der Provinzen verantwortlich. Ihr werdet den Statthalter Taymar auffordern, am Hof zu erscheinen, um sich einer gerichtlichen Anhörung zu stellen. Ihr werdet die entsprechenden Zeugen ausfindig machen und laden. Sollten die Vorwürfe sich bewahrheiten und Taymar verurteilt werden, soll Caschu aus seiner Mitte ehrenwerte Männer benennen, die sich den Bewohnern zur Wahl stellen. Alles, was dazu erforderlich ist, lege ich in Eure Verantwortung. Ihr könnt gehen.«
Achhardin vergaß das Atmen. Er konnte nicht glauben, dass er selbst die Axt an die Wurzel legen solle. Der Vorgang selbst war ihm geläufig, aber nun war er keine Nebelbank mehr, die sich unter der Morgensonne verflüchtigte. Er konnte sich nicht an einen Höheren wenden, der die Sache mit Vernunft betrachtete. Er musste einem Verrückten gehorchen.
Geräuschvoll stieß er die angehaltene Luft aus,
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