Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
Straßen und Plätzen diskutiert, gestritten und das Verhalten des Königs kritisiert. Da kam etliches zusammen, und niemand wusste so recht, wer das alles in die Welt gesetzt hatte, was jedoch bei Gerüchten stets der Fall war.
Er übe täglich mit seinem ehemaligen Kumpan Tasman, wie ein Krieger zu kämpfen. Was woanders geachtet worden wäre, darüber rümpfte der Adel Margans die Nase. Auch ein Krieger war in ihren Augen nichts als ein dienstbares Geschöpf, das sich zudem auch noch mit Blut, Gestank und Leichen befassen musste. Aber, so wurde gleich hinzugefügt, als Sohn eines Räuberhauptmannes sei das ja kein Wunder. Doron habe ihn lediglich adoptiert, weil sein eigener Sohn Jaryn ein verweichlichter Sonnenpriester war.
Und außerdem verachte er Frauen und werde keinen Nachfolger zeugen, weil er nur mit Männern verkehre. Jede Nacht müsse ein anderer Diener zu ihm ins Bett kommen, und er lasse überall im Land nach hübschen Burschen suchen. So wisse er im Grunde auch sehr gut, dass er in Wahrheit vom Pöbel abstamme, und schäme sich deshalb, als Erhabener oder Göttlicher angeredet zu werden.
Rastafan kamen diese Gerüchte natürlich zu Ohren. Anfangs war er nicht bereit, etwas dagegen zu unternehmen. Er war zu stolz, sich für solchen Kehricht auch noch zu rechtfertigen. Doch von mehreren Seiten machte man ihn darauf aufmerksam, dass er, um seine Autorität nicht zu untergraben, unbedingt etwas unternehmen müsse.
Rastafan vermutete Gaidaron hinter den Gerüchten, doch Saric meinte, sie würden eher von den adligen Familien verbreitet, die er mit den Büsten der Lächerlichkeit preisgegeben habe. Und anschließend habe er sie nicht einmal empfangen und sie mit rüden Worten abgespeist.
Rastafan grinste, aber im Grunde gab er Saric recht. Er musste etwas unternehmen. »Gib mir einen Rat. Was soll ich tun?«
»Ihr müsst die Leute für Euch gewinnen, sie milde stimmen, aber fragt mich nicht, wie Ihr das machen sollt. Ich bin nur Euer Sekretär und ein Novize im Sonnentempel, der nicht einmal die Weihen erhalten hat.«
»Du machst dich stets kleiner als du bist, Saric. Diese Büsten! Ich wusste, sie werden mir Ärger bereiten. Das haben sie schon zu Lebzeiten Dorons getan. Und Kraphor hat mir auch noch keinen Plan für den Umbau des Korridors vorgelegt. Den werde ich mir vornehmen. – Wo sind diese Büsten jetzt eigentlich?«
»In einer Lagerhalle«, ächzte Saric.
»Ja, ich erinnere mich, ich wollte sie verkaufen, aber da hattest du mir auch abgeraten.«
»So wie Ihr vorgehen wolltet, musste ich das tun. Aber ich bin schließlich kein Kaufmann.«
»Kaufmann?« Rastafan schlug Saric unversehens die Hand auf die Schulter. »Du bringst mich auf eine Idee.« Er ließ seinen Kammerdiener Frantes kommen. »Lasse nach dem Kaufmann Orchan schicken.«
Rastafan hoffte, dass der Kaufmann nicht auf Reisen sei. Er hatte Glück. Orchan war förmlich herbeigeeilt. Beim Eintreten lächelte er schüchtern, denn zum ersten Mal trat er Rastafan, dem König, gegenüber. Doch dieser benahm sich immer noch ganz so, als befänden sie sich im Räuberlager.
»Orchan, setz dich. Ich brauche deinen Rat.«
»Meinen Rat? Was für eine Ehre!« Jetzt strahlten seine kleinen Hängebäckchen, und er reckte geschäftsmäßig das Kinn. »Ich hoffe, meine bescheidenen Geistesgaben reichen aus, einem König zu raten.«
»Rede keinen Unsinn, du Schlitzohr! Du bist immer über alles unterrichtet, was in Margan geschieht, das stimmt doch?«
»Über vieles, Majestät, nicht über alles.«
»Also hör mal, Orchan.« Rastafan beugte sich etwas nach vorn. »Wir kennen uns vom Lentharifluss, also sind wir richtige Kameraden. Für dich bin ich Rastafan, verstanden. Aber natürlich nur, solange keiner zuhört. Diese blasierten Affen hier würde sonst der Schlag treffen.«
Orchan konnte sich sofort auf die neue Lage einstellen. »Das nehme ich gern an. Wie kann ich dir behilflich sein?«
»Man redet über mich. Es wird dir nicht entgangen sein.«
»Schmutz, nichts weiter.«
»Aber ein König darf sich nicht mit Schmutz bewerfen lassen, nicht wahr? Nur wie wehrt man sich gegen Gerüchte? Ich kann schließlich nicht halb Margan einsperren lassen.«
»Ich habe von der Posse auf der Prachtstraße gehört. War das dein Werk?«
»Ja, aber ich habe nicht gewusst, dass es solche Ausmaße annehmen würde.«
»Du hast viele einflussreiche Leute verärgert. Du musst ihnen entgegenkommen, sie mit Aufmerksamkeit und Schmeicheleien füttern.
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