L'Adultera
gegen Anasta-
sia, um ihr allerhand Schmeichelhaftes über ihr Spiel und die Richtung ihres Geschmackes zu sagen.
Diese verbeugte sich, während Melanie, der kein
Wort entgangen war, aufs lebhafteste fortfuhr: »Ei, da dürfen wir Sie, wenn ich recht verstanden habe,
wohl gar zu den Unseren zählen? Anastasia, das trä-
fe sich gut! Sie müssen nämlich wissen, Herr Ru-
behn, daß wir hier in zwei Lagern stehen und daß
sich das van der Straatensche Haus, das nun auch
das Ihrige sein wird, in bilderschwärmende Montec-
chi und musikschwärmende Capuletti teilt. Ich, tout à fait Capulet und Julia. Doch mit untragischem Ausgang. Und ich füge zum Überfluß hinzu, daß wir, A-
nastasia und ich, jener kleinen Gemeinde zugehören, deren Namen und Mittelpunkt ich Ihnen nicht zu
nennen brauche. Nur eines will ich auf der Stelle wissen. Und ich betrachte das als mein weibliches Neu-
giersrecht. Welcher seiner Arbeiten erkennen Sie den höchsten Preis zu? Worin erscheint er Ihnen am be-deutendsten oder doch am eigenartigsten?«
»In den ›Meistersingern‹.«
»Zugestanden. Und nun sind wir einig, und bei
nächster Gelegenheit können wir van der Straaten
und Gabler und vor allem den langen und langweili-
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gen Legationsrat in die Luft sprengen. Den langen
Duquede. Oh, der steigt wie ein Raketenstock. Nicht wahr, Anastasia?«
Rubehn hatte seinen Hut genommen. Aber Melanie,
die durch die ganze Begegnung ungewöhnlich erfreut
und angeregt war, fuhr in wachsendem Eifer fort:
»Alles das sind erst Namen. Eine Woche noch oder
zwei, und Sie werden unsere kleine Welt kennenge-
lernt haben. Ich wünsche, daß Sie die Gelegenheit
dazu nicht hinausschieben. Unsere Veranda hat für
heute die Repräsentation des Hauses übernehmen
müssen. Erinnern Sie sich, daß wir auch einen Flügel haben, und versuchen Sie bald und oft, ob er Ihnen
paßt. Au revoir.«
Er küßte der schönen Frau die Hand, und unter ge-
messener Verbeugung gegen Riekchen und Anasta-
sia verließ er die Damen. Über Lydia sah er fort.
Aber diese nicht über ihn.
»Du siehst ihm nach«, sagte Melanie. »Hat er dir
gefallen?«
»Nein.«
Alle lachten. Aber Lydia ging in das Haus zurück, und in ihrem großen Auge stand eine Träne.
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Auf der Stralauer Wiese
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Nach dem ersten Besuche Rubehns waren Wochen
vergangen, und der günstige Eindruck, den er auf die Damen gemacht hatte, war im Steigen geblieben wie
das Wetterglas. Jeden zweiten, dritten Tag erschien er in Gesellschaft van der Straatens, der seinerseits an der allgemeinen Vorliebe für den neuen Hausgenossen teilnahm und nie vergaß, ihm einen Platz
anzubieten, wenn er selber in seinem hochrädrigen
Cabriolet hinausfuhr. Ein wolkenloser Himmel stand
in jenen Wochen über der Villa, drin es mehr Lachen und Plaudern, mehr Medisieren und Musizieren gab
als seit lange. Mit dem Musizieren vermochte sich
van der Straaten freilich auch jetzt nicht auszusöhnen, und es fehlte nicht an Wünschen wie der, »mit
von der Schiffsmannschaft des Fliegenden Holländers zu sein«, aber im Grunde genommen war er mit dem
»anspruchsvollen Lärm« um vieles zufriedener, als er einräumen wollte, weil der von nun an in eine neue, gesteigerte Phase tretende Wagnerkultus ihm einen
unerschöpflichen Stoff für seine Lieblingsformen der Unterhaltung bot. Siegfried und Brunhilde, Tristan
und Isolde, welche dankbaren Tummelfelder! Und es
konnte, wenn er in Veranlassung dieser Themata
seinem Renner die Zügel schießen ließ, mitunter
zweifelhaft erscheinen, ob die Musizierenden am Flü-
gel oder er und sein Übermut die Glücklicheren wa-
ren.
Und so war Hochsommer gekommen und fast schon
vorüber, als an einem wundervollen Augustnachmit-
tage van der Straaten den Vorschlag einer Land- und Wasserpartie machte. »Rubehn ist jetzt ein rundes
Vierteljahr in unserer Stadt und hat nichts gesehen, 69
als was zwischen unserem Comptoir und dieser un-
serer Villa liegt. Er muß aber endlich unsere land-
schaftlichen Schätze, will sagen unsere Wasserflä-
chen und Stromufer, kennenlernen, erhabene Wun-
der der Natur, neben denen die ganze heraufgepuffte Main- und Rheinherrlichkeit verschwindet. Also Treptow und Stralow, und zwar rasch, denn in acht Tagen haben wir den Stralauer Fischzug, der an und für
sich zwar ein liebliches Fest der Maien, im übrigen aber etwas derb und nicht allzu günstig für Wiese-wachs und frischen Rasen ist. Und so proponier' ich denn eine Fahrt auf
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