L'Adultera
Christel
da, fand aber ihre Herrin schon auf und konnte der-
selben nur noch beim Ankleiden behilflich sein. Und auch das war nicht viel, denn es zitterten ihr die
Hände, und sie hatte, wie sie sich ausdrückte, »einen Flimmer vor den Augen«. Endlich aber war doch alles fertig, der feste Lederstiefel saß, und Melanie sagte: 133
»So ist's gut, Christel. Und nun gib die Handtasche her, daß wir packen können.«
Christel holte die Tasche, die dicht am Fenster auf einer Spiegelkonsole stand, und öffnete das Schloß.
»Hier, das tu hinein. Ich hab' alles aufgeschrieben.«
Und Melanie riß, als sie dies sagte, ein Blatt aus ihrem Notizbuch und gab es der Alten. Diese hielt den Zettel neben das Licht und las und schüttelte den
Kopf.
»Ach, meine gute, liebe Frau, das ist ja gar nichts...
Ach, meine liebe, gute Frau, Sie sind ja...«
»So verwöhnt, willst du sagen. Ja, Christel, das bin ich. Aber Verwöhnung ist kein Glück. Ihr habt hier
ein Sprichwort: ›wenig mit Liebe.‹ Und die Leute
lachen darüber. Aber über das Wahrste wird immer
gelacht. Und dann, wir gehen ja nicht aus der Welt.
Wir reisen bloß. Und auf Reisen heißt es: Leicht' Ge-päck. Und sage selbst, Christel, ich kann doch nicht mit einem Riesenkoffer aus dem Hause gehen. Da
fehlte bloß noch der Schmuck und die Kassette.«
Melanie hatte, während sie so sprach, ihre Hände
dicht über das halb niedergebrannte Feuer gehalten.
Denn es war kalt, und sie fröstelte. Jetzt setzte sie sich in einen nebenstehenden Fauteuil und sah abwechselnd in die glühenden Kohlen und dann wieder
auf Christel, die das wenige, was aufgeschrieben
war, in die Tasche tat und immer leise vor sich hin-sprach und weinte. Und nun war alles hinein, und sie 134
drückte den Bügel ins Schloß und stellte die Tasche vor Melanie nieder.
So verging eine Weile. Keiner sprach. Endlich aber
trat Christel von hinten her an ihre junge Herrin heran und sagte: »Jott, liebe, jnädige Frau, muß es
denn... Bleiben Sie doch. Ich bin ja bloß solche alte, dumme Person. Aber die Dummen sind oft gar nicht
so dumm. Und ich sag' Ihnen, meine liebe Jnädigste, Sie jlauben jar nich, woran sich der Mensch alles
jewöhnen kann. Jott, der Mensch jewöhnt sich an
alles. Und wenn man reich ist und hat so viel, da
kann man auch viel aushalten. Un vor mir wollt' ich woll einstehn. Un wie jeht es denn? Un wie leben
denn die Menschen? In jedes Haus is 'n Gespenst,
sagen sie jetzt, un das is so'ne neumodsche Redens-
art! Aber wahr is es. Und in manches Haus sind
zweie, un rumoren, daß man's bei hellen, lichten
Dage hören kann. Un so war es auch bei Verne-
zobres. Ich bin ja nu fufzig, und dreiundzwanzig hier.
Und sieben vorher bei Vernezobres. Un war auch
Kommerzienrat un alles ebenso. Das heißt, beinah.«
»Und wie war es denn?« lächelte Melanie.
»Jott, wie war es? Wie's immer is. Sie war dreißig, un er war fufzig. Un sie war sehr hübsch. Drall und blond, sagten die Leute. Na, un er? Ich will jar nich sagen, was die Leute von ihm alles gesagt haben.
Aber viel Jutes war es nich... Un natürlich, da war ja denn auch ein Baumeister, das heißt eigentlich kein richtiger Baumeister, bloß einer, der immer Brücken baut vor Eisenbahnen un so, un immer mit 'n Gitter
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un schräge Löcher, wo man durchkucken kann. Un
der war ja nu da un wie 'n Wiesel, un immer mit ins Konzert un nach Saatwinkel oder Pichelsberg, un
immer 's Jackett übern Arm, un Fächer un Sonnen-
schirm, un immer Erdbeeren gesucht un immer ver-
irrt un nie da, wenn die Herrschaften wieder nach
Hause wollten. Un unser Herr, der ängstigte sich un dacht' immer, es wäre was passiert. Un was die andern waren, na, die tuschelten.«
»Und trennten sie sich? Oder blieben sie zusammen?
Ich meine die Vernezobres«, fragte Melanie, die mit halber Aufmerksamkeit zugehört hatte.
»Natürlich blieben sie. Mal hört' ich, weil ich nebenan war, daß er sagte: ›Hulda, das geht nicht.‹ Denn sie hieß wirklich Hulda. Und er wollt' ihr Vorwürfe machen. Aber da kam er ihr jrade recht. Un sie drehte den Spieß um un sagte: ›was er nur wolle? Sie wolle fort. Un sie liebe ihn, das heißt den andern, un ihn liebe sie nicht. Un sie dächte gar nicht dran, ihn zu lieben. Und es wär' eijentlich bloß zum Lachen.‹ Und so ging es weiter, und sie lachte wirklich. Un ich sag'
Ihnen, da wurd' er wie 'n Ohrwurm und sagte bloß:
›sie sollte sich's doch überlegen.‹ Un so kam es denn auch, un als
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