Lady Almina und das wahre Downton Abbey: Das Vermächtnis von Highclere Castle (German Edition)
Jagdstrecke und wurde von dem Wildhüter dabei erwischt, wie er sich an einem Baum erleichterte: »Was haben wir denn da, Digweed, du Krause-Minzen-Gärtner! Willst du wohl aufhören, deine Jauche da abzulassen! Mach dich an die Arbeit!«
Mabers Sohn Charles lernte das Handwerk von seinem Vater und folgte ihm in der Position des obersten Wildhüters nach.
Der westlich des Schlosses gelegene, u-förmige Backsteinhof georgianischen Stils beherbergte die Brauerei und die Stallungen für die Kutsch- und Reitpferde. Auch die Kutschen waren dort untergebracht. Die Stallburschen wohnten in einem Labyrinth von Räumen über den Ställen. Sie teilten sich zu zweit ein Zimmer, ihre Habe verwahrten sie in Truhen, die an den Fußenden der Betten standen. Arthur Hayter trat 1895 in Highclere die Stelle als unterster Stallknecht und Kutscher an. Da er einer Bauernfamilie entstammte, war diese neue Position ein Aufstieg. Er liebte die ihm anvertrauten Pferde und wusste wunderbar mit ihnen umzugehen, indem er ihnen zum Beispiel, wenn sie aufgeregt waren, zuflüsterte. Da in den Stallungen rund ein Dutzend Pferde untergebracht waren und für jeweils zwei Tiere ein Bursche zuständig war, ging es dort sehr lebhaft zu. Arthur war Henry Brickell unterstellt, dem obersten Kutscher, der Lord und Lady Carnarvon nach ihrer Hochzeit nach Highclere gefahren hatte. Brickell gehörte zu den langjährigsten Angestellten und war ein zuverlässiger, beständiger Mann.
Niemand konnte damals vorhersehen, dass Highclere Castle goldene Zeiten bevorstanden. Jeder, der auf dem Anwesen lebte und arbeitete, sah der letzten großen Blütezeit einer gesicherten Existenz entgegen. Die beiden Welten der oberen und unteren Stockwerke interagierten nur in äußerst spezifischer und kontrollierter Weise miteinander. Eine neue Countess würde, selbst wenn sie extravagante Vorstellungen besaß und über die finanziellen Mittel verfügte, diese auch umzusetzen, langfristig nur wenige Veränderungen auslösen. Das britische Weltreich befand sich 1895 auf dem Gipfel seiner Macht, Queen Victoria war nur zwei Jahre von ihrem diamantenen Thronjubiläum entfernt, und das Vereinigte Königreich war fraglos der wohlhabendste und einflussreichste Staat der Welt. Es war eine Zeit des Friedens, des Fortschritts und des Selbstvertrauens. Die Bedrohung des etablierten Systems, die noch kaum wahrgenommen wurde, ging nicht von einer einzelnen Person aus dem oberen Stockwerk aus, sondern von den neuen Technologien und den größeren politischen Kräften, die die Gesellschaft und die Machtverhältnisse innerhalb Europas umstrukturierten.
Wäre damals allerdings Henry Brickell nach seiner Einschätzung der Zukunftsaussichten gefragt worden, hätte er vermutlich kein allzu rosiges Bild gezeichnet. Angesichts der Begeisterung des Earls für technische Errungenschaften verlor sein Aufgabengebiet immer mehr an Bedeutung. Der 5. Earl erkundete die aufregende Welt der neuen Pferdestärken – die Welt des Automobils.
KAPITEL 6
Festlichkeiten
Eine Woche nachdem sie ihren Ehrengast, den Prince of Wales, verabschiedet hatten, brachen Lord und Lady Carnarvon auf, um Weihnachten in Halton House zu verbringen. Sie waren mit sich selbst und der Welt zufrieden und hatten keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sich ihr Leben mit all den wundervollen Bällen, Jagden und Auslandsreisen fortsetzen würde wie gewohnt. Sie freuten sich darauf, sich von Alfred verwöhnen zu lassen, der, obwohl er Jude war, Weihnachten im großen Stil feierte. Alfred bot Weihnachten einen willkommenen Anlass für ein Fest. Der religiöse Hintergrund lag zwar außerhalb seines Interesses, doch er genoss es, den weltlichen Aspekten dieser Feiertage nachzugehen. Ohne Zweifel stand ein vergnügliches Beisammensein in Aussicht, zu dem auch Lord Carnarvons enger Freund Prince Victor Duleep Singh geladen war. Die bunt gemischte, multikulturelle Besucherschar kam zusammen, um neben dem Fest des Kirchenjahres vor allem ihr eigenes glückliches Schicksal zu feiern.
In den ersten Jahren ihrer Ehe waren die Carnarvons regelmäßig in Halton House zu Gast. Zusätzlich zu ihren Auslandsreisen pendelten sie ständig zwischen Highclere Castle, London, Bretby in Derbyshire und Pixton in Somerset. Da sich Almina ihr Leben lang mit der Stadt, in der sie ihre Kindheit verbracht hatte, verbunden fühlte, reisten die beiden auch oft nach Paris, wo sie meist im Hôtel Ritz abstiegen und an den Wochenenden die Pferderennbahn Longchamps
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