Lady Almina und das wahre Downton Abbey: Das Vermächtnis von Highclere Castle (German Edition)

im Bois de Boulogne besuchten.
    Für Lord Carnarvon war diese Lebensweise im Vergleich zu seinen bisherigen Segeltouren bis ans andere Ende der Welt bedeutend ruhiger. Alminas Horizont erweiterte sich jedoch schneller als jemals zuvor. Zur damaligen Zeit reisten junge Damen schlichtweg viel weniger als Männer. Sie lebten in ihrem Zuhause und dessen naher Umgebung und wurden auf den Wechsel vom elterlichen Heim in das ihres zukünftigen Ehemannes vorbereitet. Erst jetzt, da sie Countess von Carnarvon war, konnte Almina ihre unerschöpfliche Energie ausleben, indem sie etwas von der Welt sah. In den ersten zehn Jahren ihres Ehelebens begleitete sie ihren Gatten nach Frankreich, Italien, Deutschland, wiederholt nach Ägypten und nicht zuletzt nach Amerika und in den Fernen Osten.
    Wenn sie sich in Highclere Castle oder in ihrem Londoner Wohnsitz aufhielten, hatten die Carnarvons stets Gäste. Im Vergleich zum Alltag von Ehepaaren der heutigen Zeit führten der Earl und die Countess ein merkwürdig öffentliches Leben. Sie waren fast nie allein, und ihr Haus war immer voller Personal und Gäste. Im Sommer besuchten sie Pferderennen und spielten an den Wochenenden Tennis. Im Herbst folgte die Jagdsaison. Das ganze Jahr hindurch veranstalteten sie Feste und Gartenpartys und luden dabei stets die aktuellen Stars des Gesellschaftslebens ein – die frisch Vermählten, die spannenden und die glamourösen Persönlichkeiten.
    Im Mai 1896, fast ein Jahr nach ihrer eigenen Hochzeit, luden sie den Duke und die Duchess of Marlborough ein, die eben erst geheiratet hatten. Die Amerikanerin Consuelo Vanderbilt war Erbin eines immensen Vermögens, und der 9. Duke hatte sie ganz offensichtlich nur wegen ihres Geldes geehelicht. Sie war eine wunderschöne, bezaubernde Frau, doch die beiden hassten einander. Sie hatten jeder die Menschen, die sie wirklich liebten, aufgegeben, und Consuelo, zu jener Zeit erst 17 Jahre alt, war von ihrer dominanten Mutter zu dieser Ehe gedrängt worden. Sie berichtete später, hinter dem Schleier geweint zu haben, als sie das Jawort gab.
    Consuelo erzählte immer mit gedämpfter Stimme von ihrer ersten Londoner Saison, dem Sommer 1896: »Wer das London der Jahre 1896 und 1897 erlebt hat, wird mit Wehmut daran zurückdenken, wie ein glamouröses Fest das andere jagte.« Teil dieser Festlichkeiten waren die an den Wochenenden veranstalteten Geselligkeiten, wie sie auch in Highclere stattfanden.
    Consuelo und Almina hatten einiges gemeinsam. Sie waren beide hübsche junge Erbinnen und hatten aufgrund ihres Familienvermögens und trotz der Tatsache, dass dieses durch kaufmännische Tätigkeiten erworben war, in die Aristokratie eingeheiratet. Beide waren sie Außenseiterinnen. Almina war als uneheliches Kind ausgegrenzt worden, Consuelo wurde verspottet, da sie Amerikanerin und als solche kaum den Rang einer Duchess wert war. Die weiteren Lebenswege der Frauen boten aber keine Parallelen mehr. Consuelo war vor und während ihrer Ehe unglücklich und trennte sich 1906 von ihrem Gatten. Almina war an ihrem Hochzeitstag sehr verliebt und führte mit ihrem Mann eine langjährige, glückliche und vertrauensvolle Ehe.
    Entdeckten die beiden Mädchen an jenem Wochenende ihre Gemeinsamkeiten? Tauschten sie sich über die kleinen Missgeschicke, die ihnen während ihrer Lehrzeit als angehende »Schlossherrinnen« widerfahren waren, aus? Consuelo erinnerte sich immer wieder daran, auf die strikte Hierarchie in ihrer neuen Welt überhaupt nicht vorbereitet gewesen zu sein. Eine Duchess war höheren Ranges als eine Marchioness, die wiederum eine der Countess übergeordnete Position besaß, doch es gab unendlich viele Unterschiede zwischen diesen Herzoginnen, Marquisen und Gräfinnen. Das Alter des jeweiligen Adelstitels war zu berücksichtigen, und ältere Frauen hatten einen höheren Stand als die jüngeren. Dadurch konnte das generelle hierarchische Schema gehörig durcheinandergewürfelt werden. Als sich Consuelo bei einer in Blenheim Palace, dem Landsitz ihres Mannes, abgehaltenen Veranstaltung einmal nicht sicher war, in welcher Reihenfolge sich die Damen aus dem Speisesaal zurückzuziehen hatten, und zögerlich vor der Tür verharrte, wurde sie von einer erbosten Marchioness in den Rücken gestupst und angefaucht: »Es ist genauso vulgär, sich zurückfallen zu lassen, wie voranzupreschen.«
    Vielleicht tat es den beiden jungen Frauen gut, sich mit jemandem austauschen zu können, der Verständnis dafür hatte, dass