Lady Almina und das wahre Downton Abbey: Das Vermächtnis von Highclere Castle (German Edition)

und versprach, für kurz gehaltenes Gras zu sorgen.
    Im Lauf der nächsten zehn Monate führte de Havilland zahlreiche Testflüge durch. Die ersten glichen eher bescheidenen Sprüngen, doch je mehr er an seiner Maschine feilte, umso länger wurden die zurückgelegten Distanzen. Einige Abstürze überstand er glücklicherweise unbeschadet. Im Herbst 1910 gelang es ihm schließlich, das Flugzeug 15 Meter über dem Boden zu halten, es nach links über die Straße von Highclere zu steuern und vor der Landung einen vollen Kreis zu beschreiben. Lord Carnarvon, der diesen Flug beobachtete, war »über den Erfolg, der den Bemühungen der Flieger beschieden, hocherfreut«.
    In jenem Herbst fand außerdem eine Familienfeier statt. Lord Carnarvons Halbbruder Aubrey vermählte sich, und alle, vor allem der Bräutigam selbst, waren darüber erstaunt, welch wunderbare Frau er für sich gewonnen hatte.
    Wie sein älterer Bruder ging Aubrey leichtsinnig mit Geld um und war von schwacher Gesundheit. Er litt unter extrem schlechter Sehkraft und pflegte einen unkonventionellen Kleidungsstil, andererseits besaß er ein lebhaftes, warmherziges Wesen und war, wie Lord Carnarvon, vollkommen unprätentiös. Seine Auserwählte, Mary, entstammte einer angloirischen Adelsfamilie. Ihr Vater war der 4. Viscount de Vesci. Mary, eine groß gewachsene, elegante und gebildete Frau, bewegte sich in den besten Kreisen. Aubrey hatte Mary über Raymond Asquith, den Sohn des britischen Premierministers Herbert Asquith, kennengelernt, mit dem er seit seiner Zeit in Oxford gut befreundet war und dessen Schwester Violette zu Marys engsten Vertrauten gehörte. Aubreys Verbindung zu Mary werteten die beiden Geschwister unterschiedlich: Während Raymond seiner Freude Ausdruck gab, dass Aubrey sich über seine Hochzeit glücklich schätzen könne, erwiderte Violette naserümpfend, er sei ein vom Schicksal übervorteilter Mann.
    Mary war vermutlich der Ansicht, dass sich Aubrey bis zu seinem Antrittsbesuch bei ihrem Großvater, dem Earl of Wemyss, in Gosford Castle in Ulster noch den nötigen Schliff aneignen würde. Größere Sorgen bereiteten ihr die ausufernden Trinkgelage mit Diplomaten, die Aubrey in Pixton, dem Anwesen, das er von seiner Mutter Elsie erhalten hatte, abhielt.
    Mochte es Aubrey auch an Eleganz und Umgangsformen fehlen, waren seine Fachkenntnisse über den Nahen Osten jedoch unumstritten. Er war 1904 in Ägypten gewesen und hatte anschließend in Konstantinopel zwei Jahre lang für den diplomatischen Dienst gearbeitet. Er sprach nahezu fließend Türkisch, Griechisch, Albanisch und Arabisch sowie Französisch und Deutsch und war in der Region sehr beliebt. (So beliebt, dass die albanische Regierung vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit der Frage, ob er König des Landes werden wolle, an ihn herangetreten war. Er telegrafierte nach Hause: Thron von Albanien angeboten stopp soll ich annehmen Grüße Aubrey. Lord Carnarvons Antwort war kurz und bündig: Nein. Carnavon. )
    Die Trauung von Aubrey und Mary fand am 20. Oktober 1910 in der St James’s Church in der Picadilly Street statt. Sie war ein herausragendes gesellschaftliches Ereignis. Almina bestand darauf, dass das Paar seine Flitterwochen in Highclere Castle beginnen sollte. Vor allem die Kinder, Porchy und Eve, waren von diesem Vorschlag begeistert, da sie ihren temperamentvollen, tollpatschigen Onkel über alles liebten.
    Es dauerte nicht lange, bis Aubrey wieder in seinen chaotischen Kleidungsstil zurückfiel; und die in Pixton veranstalteten Feiern wurden durch die Beteiligung von Marys vornehmen Freunden nur geringfügig zivilisierter.
    Da Marys Mutter dem Paar zur Hochzeit ihr wunderbares Haus in 28 Bruton Street schenkte, wohnten die beiden in London in unmittelbarer Nähe zu Alminas Mutter Marie und dem Stadthaus der Carnarvons am Berkeley Square. Diese familiäre Verbindung erwies sich während der häufigen Auslandsreisen der Carnarvons als äußerst praktisch. Porchy erinnert sich an zahlreiche Aufenthalte bei seiner Großmutter, die sich nur allzu gern um die Kinder kümmerte und ausschließlich Französisch mit ihnen sprach.
    Inzwischen war Almina 36 Jahre alt. Nach nunmehr 17 Ehejahren war aus dem jungen, unbekannten Mädchen von zweifelhafter Herkunft das öffentliche Gesicht der Carnarvons geworden. In dem Maße, in dem sich die Gesundheit ihres Mannes verschlechterte, übernahm Almina immer mehr die Rolle der Gastgeberin und pflegte die vielfältigen