Lady Almina und das wahre Downton Abbey: Das Vermächtnis von Highclere Castle (German Edition)
Schirmherrin des fünf Meilen nördlich von Highclere gelegenen Cold Ash Hospital zu werden. Sie hatte ihm zugesichert, alles in ihrer Macht Stehende zur Unterstützung des Krankenhauses beizutragen. Nun, da sie mehr denn je davon überzeugt war, dass die Krankenpflege ihre Berufung war, versuchte sie herauszufinden, in welcher Weise sie dem Hospital am besten helfen konnte.
In Highclere Castle waren schon immer die unterschiedlichsten Menschen zu Besuch gewesen, doch nun wurde die Gästeschar ein wenig seltsam. Durch seine wiederholten Aufenthalte in Ägypten hatte sich das bei Lord Carnarvon von jeher vorhandene Interesse am Okkulten verstärkt. Seit 1912 ließ er sich gelegentlich aus der Hand lesen und hielt in Highclere Castle regelmäßig mit einer Hellseherin Séancen ab. An sich war daran nichts Ungewöhnliches. Der Spiritismus, der in den 1850er-Jahren von den USA nach Großbritannien gekommen war, hatte sich rasch zu einer Modeerscheinung entwickelt. Als 1890 die erste Spiritistenversammlung stattfand, war daraus längst eine Massenbewegung geworden. Im ganzen Land saßen Menschen im Kreis und hielten sich an den Händen in der Hoffnung, mit der Geisterwelt in Kontakt zu treten und Botschaften von den Verstorbenen zu empfangen. Auch berühmte Persönlichkeiten hingen diesem Kult an, zum Beispiel Sir Arthur Conan Doyle. Der Verfasser der Sherlock-Holmes-Romane widmete sich dem Phänomen des Spiritismus in vielen Schriften.
Die Séancen in Highclere Castle wurden manchmal im privaten Kreis durchgeführt, manchmal aber auch zur Unterhaltung bei Geselligkeiten veranstaltet. Porchy erinnert sich, zusammen mit seiner Schwester Eve mehrere dieser Ereignisse beobachtet zu haben. Die Sitzungen fanden in einem der Schlafzimmer im oberen Stockwerk statt; damit kein Licht in den Raum fiel, wurden die Fensterläden geschlossen. Oft boten sie intensive Erfahrungen. Porchy und Eve sahen einmal eine Blumenvase über den Tisch schweben. Eve bekam daraufhin solche Angst, dass sie zur Beruhigung zwei Wochen im Krankenhaus verbringen musste. Bei einer Séance, an der Howard Carter und eine Dame teilnahmen, wurde die Besucherin in Trance versetzt, um als Medium eine Botschaft aus dem Jenseits zu vermitteln. Die Dame begann mit seltsamer Stimme in einer Sprache zu sprechen, die zunächst keiner identifizieren konnte. Dann rief Carter überrascht aus: »Das ist Koptisch!«
In der realen Welt geschahen jedoch Dinge, die weitaus furchterregender waren als unerklärlicherweise über dem Tisch schwebende Blumenvasen oder die Wiederbelebung ausgestorbener Sprachen. Es waren keine übersinnlichen Fähigkeiten erforderlich, um zu erkennen, dass auf die Menschen in Highclere Castle Schreckliches zukam.
KAPITEL 9
Der Sommer 1914
Der Sommer 1914 war angenehm sonnig und warm. Almina kehrte Ende April aus Ägypten zurück und blieb nur einige Wochen in Highclere, bevor sie zu einer einwöchigen Reise nach Paris aufbrach. Am 11. Juni beherbergten der Earl und die Countess anlässlich der in Newbury stattfindenden Pferderennen in Highclere Castle mehrere Gäste, darunter auch Mr und Mrs James Rothschild. Bei oberflächlicher Betrachtung schien das Leben seinen gewohnten Gang zu gehen, doch ein Blick in die Zeitungen oder in Alfred de Rothschilds sorgenvolles Gesicht, während dieser nervös im Raucherzimmer an einer Zigarre zog, verhießen nichts Gutes.
Trotz der Bemühungen vieler einflussreicher Persönlichkeiten, zu denen auch Alfred de Rothschild gehörte, eine bewaffnete Auseinandersetzung zu verhindern, stand Europa kurz vor dem Krieg. Alfred hatte seinen beträchtlichen Einfluss, sein Netzwerk an Kontakten und sein Geld der britischen Regierung zur Verfügung gestellt und als inoffizieller Vermittler zwischen dem zerfallenden österreichisch-ungarischen Reich und Deutschland fungiert. Die Hälfte von Alfreds Verwandten und Freunden lebte auf dem europäischen Kontinent, und es schmerzte ihn, dass zwischen Ländern, die bis vor Kurzem so eng verbunden waren, Feindseligkeiten herrschten. Die zunehmende Gewissheit, dass ein Krieg unvermeidbar war, versetzte ihn in große Sorge um die ihm nahestehenden Menschen und ließ ihn unter seiner Hilflosigkeit leiden.
Trotz aller verzweifelter Verhandlungen hinter den Kulissen erwies sich die Herausforderung, das Unheil abzuwenden, für jede Einzelperson, jede Familie und jeden Politiker als zu groß. Monatelang hatten die Zeitungen davon berichtet, wie Deutschland, Russland und Österreich
Weitere Kostenlose Bücher