Lady Daphnes Verehrer
»Wie hat Becksbridge davon erfahren?«
»Ich habe es ihm gesagt.«
»Wirklich? Gut gemacht. Eine solche Kühnheit hat der Idiot von einer Gouvernante gewiss nicht erwartet.«
»Ich dachte, er sollte wissen, was sein Sohn getan hat. Ich hatte keine Ahnung, dass es bereits häufiger passiert war. Dann hat er mir diese beleidigenden, verletzenden Vorhaltungen gemacht. Im Nachhinein wurde mir jedoch bewusst, dass sein Ton eigentlich keine rechte Überzeugung erkennen ließ. Da habe ich mich gefragt, ob er diese Art Strafpredigt womöglich schon öfter gehalten hat und das Verhalten seines Sohnes ihm in Wahrheit Verdruss bereitete.«
Er küsste ihre Hand. »Haben Sie eine finanzielle Unterstützung von ihm erpresst?«
»Keineswegs. Er sagte, er müsse mich entlassen, wolle mich aber zu einer Frau im Norden schicken, bei der ich wohnen könne. Dort müsse ich bleiben, und wenn ich es täte, würde er mich unterstützen. Er wollte mich nicht mehr in der Nähe haben, damit ich, unmoralisch wie ich war, seinen Sohn nicht verderbe. Und er wollte nicht, dass ich in unsere Heimatgrafschaft zurückkehre oder nach London und dort Gerüchte verbreite.« Sie seufzte, dann zuckte sie mit den Schultern. »Die Erpressung kam später.«
Er musste lachen. »Es war gewiss ein unvergesslicher Moment, oder?«
»Nun, ich war älter geworden und viel klüger. Ich hatte über Lathams Taten nachgedacht, und kurz bevor ich Becksbridges Haus verließ, hatte es noch den Vorfall mit dem Küchenmädchen gegeben. Nachdem es zwei Jahre lang in mir gebrodelt hatte, kochte ich schließlich vor Wut.«
»Becksbridge muss aufs Äußerste schockiert gewesen sein, als er sah, dass sich Miss Avonleah zu der Respekt einflößenden Mrs Joyes gemausert hatte.«
»Er hat nicht viel gesagt. Ich habe ihm erklärt, dass ich Margaret nicht ewig zur Last fallen und in meine Heimatgrafschaft zurückkehren wolle. Da hat er mir das Anwesen in Middlesex angeboten. Wenn ich zurückgezogen dort leben, keinen Kontakt mit seinem Sohn haben und keine Lügen über das verbreiten würde, was vorgefallen war, könne es sein, sagte er, dass er mir das Land eines Tages vollständig überlässt.«
»Und Sie bekamen keine finanzielle Unterstützung mehr?«
»Doch, doch, anfangs schon. Ich habe sie jedoch abgelehnt, als ich anfing, The Rarest Blooms aufzubauen. Es war für mich eine Art Blutgeld.« Sie schaute auf ihre ineinander verschränkten Hände. »Jetzt wissen Sie es.«
Ihr sanftes Lächeln schwand. Nachdem sie ihm alles erzählt hatte, schien die Tapferkeit sie zu verlassen. Sie bekam wieder feuchte Augen und machte plötzlich einen sehr zarten, jungen und beinahe hilflosen Eindruck.
»Ich habe noch nie jemandem die ganze Geschichte erzählt. Es war leichter als ich gedacht hatte.«
Trotz ihres Stolzes wirkte sie so verletzlich. Und sie sah in dem silbrigen Zwielicht so hinreißend aus, dass er völlig von ihr bezaubert war.
Es gab Lücken in ihrer Geschichte und es blieben noch offene Fragen. Er verfluchte sich im Geist dafür, dass er sein Augenmerk automatisch auf die Schwachstellen richtete, und verbannte seine Neugier in den hintersten Winkel seines Bewusstseins. Die Lücken waren sicherlich völlig unerheblich. Wahrscheinlich hatte sie ein paar Dinge ausgelassen, damit die Geschichte nicht zu lang wurde.
»Ich fühle mich geehrt, dass Sie es mir anvertraut haben, Daphne.« Er stand auf und zog sie von dem Baumstamm. »Ich bedaure seit Langem, dass ich die Welt nicht habe wissen lassen, was ich bei dem Vorfall mit Margaret gesehen habe. Zu wissen, dass ich es ihm dadurch ermöglicht habe, sich an Ihnen und anderen zu vergreifen … Ich werde es mir nie verzeihen.«
Sie trat näher und sah ihm in die Augen. »Wie clever er es doch anstellt, dass die Guten die Schuld für seine Sünden bei sich suchen. Sie konnten nicht wissen, dass er dieses unsittliche Verhalten zur Gewohnheit werden ließ.«
»Ich wusste es zwar nicht genau, aber ich kannte ihn besser als die meisten.«
Es war zweifelsohne die feigste Entscheidung seines Lebens gewesen. Das war ihm schon lange bewusst. Doch Latham zu entlarven hätte zwangsläufig zu einem Duell geführt.
Trotz seiner tiefen Abscheu hatte er den Mann nicht töten wollen, der einmal sein bester Freund gewesen war – den Mann, der ihm bis auf ein paar Feinheiten, wie es manche nennen würden, so ähnlich war.
Er hätte es dennoch tun sollen. Damals schon oder spätestens nach dieser Tragödie mit Marie.
»Sie
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