Lady Daphnes Verehrer
mieten eine andere Kutsche für die Frauen und damit schicken wir sie auf die Reise. Und Sie und ich fahren mit der Kutsche, die mich hergebracht hat.«
Angesichts dieses verlockenden Angebots hellte sich seine Miene merklich auf, genau wie sie vermutet hatte. Dann sah er sie prüfend an. »Ihnen ist doch klar, dass ich Sie in der Kutsche und in den Gasthäusern, also auf der ganzen langen Fahrt nach London, für mich haben werde? Das ist verdächtig zuvorkommend von Ihnen, nachdem Sie sich mir in den vergangenen Wochen immer entzogen haben.«
»Solange Sie sich wirklich zuvorkommend behandelt fühlen, was kümmert Sie da das Wie und Warum?«
Er sah sie abermals lange an. »Gut gesagt. Genau, was kümmert es mich? Auf mit Ihnen!« Er half ihr beim Aufstehen. »Ich werde einen kurzen Ritt unternehmen und erkunden, ob dort draußen alles ruhig ist. Wenn ja, sehe ich zu, dass ich eine Kutsche besorge. In einem Dorf von dieser Größe bekommt man sicherlich eine, auch wenn die Pferde nicht die besten sein dürften.«
Die Pferde waren in der Tat nicht die besten, aber sie würden ihrem Zweck genügen. Daphne half den Frauen in die Kutsche, die Castleford gemietet hatte. Die junge Frau, die er gerettet hatte, sollte bis ins Dorf mitfahren. Von dort aus wollte sie ihre Angehörigen benachrichtigen, dass sie Hilfe brauchte und abgeholt werden musste. Die anderen würden sich auf die lange Reise nach Cumberworth machen.
Margaret stieg als Letzte ein.
»Hast du die Karten und die Wegbeschreibung?«, fragte Daphne.
»Natürlich. Mach dir keine Sorgen. Ich schaffe das schon.« Sie umarmte Daphne. »Wir sehen uns bald wieder. Du wirst dein Ziel allerdings früher erreichen als wir unseres. Ich glaube nicht, dass diese Kutsche sehr schnell ist. Es ist weder das Gefährt eines Lords noch ein Zweispänner.«
»Es wird alles für euch bereit sein. Vielleicht werde ich auch schon Neuigkeiten haben. Aber ihr könnt alle bei mir bleiben, so lange ihr wollt. Auch wenn sich herausstellt, dass die Behörden nicht nach deinen Freundinnen und dir suchen. Auf dem Anwesen ist genug Platz für weitere Schwestern.«
Margaret schaute zu Castleford hinüber, der mit Summerhays’ Kutscher sprach. »Es war großzügig von ihm, uns das Geld für Übernachtungen und Essen zu geben. Hast du ihm schon alles gesagt? Weiß er, was du vorhast?«
»Er weiß genug.«
»Am Ende deiner Reise wird das vielleicht nicht mehr genügen. Wird er so großzügig bleiben, wenn er alles weiß?«
»Er wird zu seinem Wort bezüglich des Anwesens stehen, ganz gleich, was passiert.«
Margaret setzte sich zu den anderen. Daphne sah der Kutsche nach, als sie davonfuhr, dann ging sie auf den Herzog zu, einen Mann, der sich so für sie interessierte, dass er auf seinem Pferd quer durch England geritten war.
Er sah ihr entgegen, und seine Augen sagten alles. Sie verrieten, warum er ihr gefolgt war. Sie funkelten vor Begierde und leidenschaftlichem Verlangen, und Wärme und Vertrautheit sprachen aus seinem Blick. Die Gründe dafür lagen darin, was sie in seinem Zelt und an diesem Tag miteinander geteilt hatten. Doch sie entdeckte auch noch etwas anderes, etwas Neues, und ihr stockte der Atem.
Mitleid. Mitleid und Bedauern und auch einen gewissen Groll. Das alles sah sie in dem kurzen Moment, bevor er ihre Hand ergriff und ihr beim Einsteigen in die Kutsche half.
Auf langen Kutschfahrten hat man sehr viel Zeit, Seelenschau zu betreiben. Und da Castleford keinen Gefallen daran fand, eine wüste Ödnis zu betrachten, zog er es normalerweise vor, weite Strecken zu Pferde zurückzulegen.
Er hielt Daphne im Arm, während die Kutsche in der Abenddämmerung dahinrollte. Sie hatte den Kopf an seine Schulter gelehnt und redete nicht viel. Normalerweise wäre ihm die Ruhe gerade recht gewesen, aber an diesem Tag brachte sie ihn dazu, über Dinge nachzudenken, über die er lieber nicht nachdenken wollte.
Tatsache war jedenfalls, dass zumindest eine der Liegenschaften, die er geerbt hatte, nicht von einer ehemaligen Mätresse des verstorbenen Herzogs bewohnt wurde. Vielmehr lebte dort eine Frau, die Latham vergewaltigt hatte. Es gab keine Zweifel, dass es eine Vergewaltigung gewesen war. Er war zufällig auf die beiden gestoßen und hatte Latham von dem Mädchen heruntergezerrt. Die Brutalität, die er gesehen hatte, und die höhnische Gleichgültigkeit, die Latham später in Bezug auf seine Tat an den Tag gelegt hatte, hatten das Ende ihrer langen Freundschaft
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