Lady Helenes skandaloeser Plan
gegeben hast, kann ich mich jedenfalls darauf verlassen, dass du stets für Aufregung sorgen wirst!«
»Ich werde mich ganz bestimmt nicht dazu hergeben«, teilte sie ihm mit. »Du musst verrückt sein, wenn du glaubst, ich würde ohne Weiteres mit deiner Ehefrau unter einem Dach wohnen. Sie wird mich wahrscheinlich umbringen und hätte allen Grund dazu. Ich mag zwar meine Tugend verloren haben, Rees, aber ich weiß noch, was Anstand ist. Ich werde nicht im Schlafzimmer deiner Frau wohnen, während sie im Stockwerk über mir lebt. Solange sie hier wohnt, würde ich nicht einmal in die Nähe des Hauses kommen.«
»Nun mach keine falsche Tragödie daraus«, knurrte er. »Geh, wenn du willst.«
Doch sie blieb sitzen und funkelte ihn wütend an. »Du hast deinem Bruder erzählt, dass ich im Haus wohne, um deine Kompositionen zu singen. Ich meine, es wäre für uns beide einfacher gewesen, wenn du diesen besonderen Teil unserer Beziehung schon vor einiger Zeit geklärt hättest.«
»Ich weiß. Ich bin eben ein Schurke«, sagte er ungeduldig. Rees hatte diese Art Gespräche mit Frauen schon oft geführt, und sie interessierten ihn nicht im Mindesten.
»Wenn ich also hier wohne und für Kost und Logis singe«, fuhr Lina hartnäckig fort, »dann sag mir doch, welche Rolle du deiner Frau zugedacht hast?«
»Sie soll mir helfen …« Er brach ab. Zu spät. Er war in die Falle getappt.
»Ach, sie soll dir bei deiner Oper helfen?«, flötete Lina lieblich. »Natürlich! Wir alle wissen doch, was für eine begnadete Musikerin die Gräfin ist. Hab ich’s mir doch gedacht, dass an deinem plötzlichen Bedürfnis, einen Erben zu zeugen, etwas faul sein musste. Und deine letzten Kompositionen … Jetzt verstehe ich. Die Gräfin soll also komponieren, und ich soll ihre Partitur singen, und du wirst einfach nur deinen ehelichen Pflichten nachkommen, ist das so?« Sie lachte hell auf. »Deine Frau muss ja wirklich verzweifelt sein.«
Mit einem wütenden Knurren sprang Rees auf sie zu. »Wag es ja nicht, so über Helene zu sprechen!«
Lina schüttelte unbeeindruckt seine Hand von ihrem Arm ab. »Ich packe meine Sachen.«
Rees knirschte mit den Zähnen. »Wenn du bleibst und alles singst, was ich möchte, dann sorge ich dafür, dass Suffle dir die Rolle des Quäkermädchens gibt.«
Sie blieb stehen, die Hand schon auf dem Türknauf.
»Du bist keine Kurtisane, Lina, das wissen wir doch beide. Was willst du mit dem Rest deines Lebens anfangen? Einen zweiten Gönner wirst du nicht finden.«
Lina lachte kurz auf. »Nicht nach dem, was ich von dir über Männer gelernt habe.«
»Du willst doch gewiss wieder zur Oper, nicht wahr? Wäre es da nicht gut, mit einer Hauptrolle im Repertoire zurückzukehren, die du bereits perfekt beherrschst? Dazu reichen sechs Wochen«, versicherte er. »In dieser Zeit hast du die Rolle der Quäkerin einstudiert. Zum Teufel, meinetwegen schreibe ich ein paar hohe Register hinein, die deiner Stimme besser entsprechen. Und ich kläre die Angelegenheit mit Suffle und dem Vorstand ab.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen.
»Ich hätte lieber die Rolle der Prinzessin Mathilde«, sagte Lina dann. »Nicht die des Quäkermädchens. Ich bin keine Quäkerin.«
»Du würdest eine ausgezeichnete Quäkerin abgeben. So schön du auch bist, tief in dir hast du etwas von einer Puritanerin.«
Sie öffnete die Tür. »Diese Eigenschaft muss dann wohl
sehr
tief in mir verborgen liegen. Ich habe seit Jahren nichts davon bemerkt. Ich will die Prinzessin spielen.«
Er berührte ihren Arm. »So schlimm war es doch eigentlich gar nicht, oder, Lina?«
Sie sah zu ihm auf, erinnerte sich, wie sehr sie diesen zotteligen Earl geliebt hatte, seine Grübchen und seine Schroffheit, seinen stämmigen Körper und seine verborgene Zärtlichkeit. Wenn jemand eine puritanische Seele besaß, dann er. Sie schüttelte den Kopf. »Es war wunderbar«, sagte sie frivol. »Eine Zeit der immerwährenden Heiterkeit.«
Rees musste sie gehen lassen. Was konnte er noch sagen? Zwischen ihnen war alles bereits gesagt.
14
Ein unverschämter Vorschlag
Helene hatte die deutliche Vorahnung, dass sich ihre Besucher an diesem Morgen die Klinke in die Hand geben würden. Welche biedere Ehefrau konnte sich die Haare abschneiden, ein empörend schamloses Kleid anziehen und mit dem Earl von Mayne aus dem Ballsaal verschwinden, ohne dass jede ihrer weiblichen Bekannten – oder Unbekannten – darauf brennen würde, bei ihr zum Tee eingeladen zu
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