Lady Helenes skandaloeser Plan
Bestimmt freute sie sich schon schrecklich auf ihre Rückkehr in die Oper, und mit Geld würde er sie überdies ausstatten. Rees vermutete stark, dass er für Lina ebenso eine Enttäuschung war wie für Helene.
»Ich werde dich nicht vor die Tür setzen«, versicherte er und kaute in aller Gemütsruhe. Dann schaute er auf. »Du brauchst auch nicht im Haus umzuziehen. Helene bekommt das Zimmer im zweiten Stock neben der Kinderstube.«
»Ich hatte eigentlich vor, Meggin in der Kinderstube unterzubringen«, schaltete Tom sich ein. Dann schüttelte er den Kopf. »Was rede ich da? Helene wird diesem absurden Vorhaben doch niemals zustimmen!«
Die Erinnerung an das schmerzgeplagte Gesicht seiner Frau, als sie ihrem Wunsch nach einem Kind Ausdruck gab – und eine ähnliche Erinnerung an ein Gespräch vor einem Jahr – gingen Rees durch den Kopf. »Doch, wird sie«, behauptete er dreist.
»Du träumst wohl.«
»Ich habe sie hinausgeworfen. Nun hole ich sie zurück.«
Lina begann zu lachen. »Ich soll also im Schlafzimmer deiner Frau bleiben? Während sie selbst in den zweiten Stock zieht? Von Frauen verstehst du nicht allzu viel, was?«
»Nein. Aber von Helene schon.«
»Aber warum?«, wollte Tom wissen. »Warum in Gottes Namen sollte sie sich vor der Londoner Gesellschaft derart demütigen? Ich glaube nämlich nicht, dass sie zurückkommt, weil sie sich nach dir sehnt.«
Sein Ton war zwar nicht verächtlich, aber Rees verspürte den Nadelstich dennoch. »Sie will ein Kind«, sagte er brüsk und widmete sich wieder seinen Eiern. Er hatte genug von dieser Diskussion. Je rascher er bei Helene war und alles für ihren Umzug in die Wege leitete, desto eher konnte er wieder an die Arbeit gehen.
»Ich habe noch nie gehört, dass eine Frau sich so inständig ein Kind wünscht, dass sie bereit wäre, auf so einen Handel einzugehen«, bemerkte Lina. »Das wird einen furchtbaren Skandal geben.«
»Wenn Vater sich im Grabe umdrehen könnte, dann würde er es jetzt tun«, sagte Tom. »Meinst du nicht, du könntest ihn in Frieden ruhen lassen?«
Rees starrte seinen Bruder an. »Ich muss Lina bei mir haben.«
Eine Welle des Missfallens glitt über Toms Gesicht.
»Damit sie meine Kompositionen singt«, fuhr Rees fort. Er leerte seinen Teller. »Aber woher, wenn ich fragen darf, hast du Miss Meggin, Tom? Und was hast du mit ihr vor?«
Meggin schaute ihn über den Tisch hinweg an. Bei näherer Betrachtung musste Rees zugeben, dass sie Tom gar nicht ähnelte. Ihre Augen waren hellblau und zeigten einen verwirrten Ausdruck. Sie schien nicht zu wissen, was sie mit ihrer Gabel anfangen sollte, denn sie legte sie immer wieder hin und versuchte, mit den Fingern zu essen.
»Sie hat mir drei Äpfel verkauft«, erzählte Tom. »Ich werde sie nach East Riding mitnehmen und dort in einer guten Pflegefamilie unterbringen.«
Rees musterte das kleine Mädchen. Seine Schürze war schmutzig und zerknittert, überhaupt war die ganze kleine Person nicht sonderlich sauber. »Haben wir irgendwelche Dienstmädchen im Hause, Leke?«, wandte er sich an den Butler.
Leke lauschte sichtlich mit gespitzten Ohren. Dies musste der aufregendste Morgen seines Lebens sein. »Meine Nichte Rosy, Mylord.«
»Natürlich. Rosy hatte ich ja ganz vergessen. Ich hoffe, dass sie sich auf Kinder besser versteht als aufs Bügeln. Fragen Sie Ihre Nichte, ob sie sich um Meggin kümmern kann, bis mein Bruder beschließt, in seine Gemeinde heimzukehren, was hoffentlich bald der Fall sein wird.« Rees warf Tom einen scharfen Blick zu. »Und senden Sie einen Lakaien zu Madame Rocque. Sie möchte bitte eine ihrer Angestellten schicken, damit sie bei dem Mädchen Maß nimmt.«
»Wunderbar!«, rief Lina. »Und ich hätte gern Madame Rocques aktuellen Musterkatalog, Leke. Man stelle sich nur vor, wie gemütlich das wird, wenn Lady Godwin und ich gemeinsam
La Belle Assemblée
anschauen.« Sie lachte. »Du bist ein Narr, Rees.«
»Wir brauchen ein paar robuste, zweckdienliche Kleider, nicht solche wie …« Und Toms Augen glitten über Linas elegantes Morgenkleid.
»Ich bin sicher, dass Madame Rocque alles liefern kann, was Meggin braucht«, erklärte Rees gleichgültig. Er erhob sich und verneigte sich vor den Anwesenden. »Wenn ihr mich jetzt entschuldigen wollt … Ich muss Helene abholen. Rechnen Sie zur Nachtmahlzeit mit Ihrer Herrin, Leke.«
Als er das Zimmer verließ, vernahm er hinter sich das leise Rascheln von Seide. »Gewiss haben wir noch etwas zu besprechen,
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