Lady Helenes skandaloeser Plan
fasziniert vermerken, dass du wieder heimgekehrt bist, da deine Trennung von Rees öffentlich bekannt ist, aber eine Versöhnung ist auf jeden Fall annehmbar.«
»Und wie soll ich Rees’ Geliebte loswerden?«
»Vielleicht geht sie einfach von selbst«, meinte Gina hoffnungsvoll. »Wenn sie dich erst einmal gesehen hat.«
»Unsinn!«, wehrte Esme ab. »Du wirst sie natürlich bestechen müssen. Wie lange lebt sie schon dort?«
Helene setzte ihre Tasse mit einem leisen Klappern ab. »Zwei Jahre und drei Monate.«
»Oh«, machte Esme, von Helenes genauer Kenntnis der Verhältnisse sichtlich betroffen. »Dann musst du ihr eben ein überzeugendes Angebot machen. In finanzieller Hinsicht natürlich.«
»Das könnte ich wohl tun«, meinte Helene zögernd und nagte an ihrer Unterlippe. »Ich könnte das Geld nehmen, das Rees mir zahlt. Das fände ich sogar passend.«
»Und sie wird es annehmen«, bekräftigte Gina. »Keine Frau, die noch bei Verstand ist, würde mit Rees zusammenleben wollen.« Sie unterbrach sich. »Das war unverzeihlich grob, Helene, bitte vergib mir.«
»Tja, das war es wirklich. Aber ich vergebe dir«, sagte Helene lächelnd.
»Wenn du ihr eine anständige Summe zahlst«, fuhr Gina fort, »wird sie wahrscheinlich in ihr Heimatdorf zurückkehren, und du brauchst nie wieder an sie zu denken.«
»Das wäre … überaus erfreulich«, sagte Helene. »Sehr erfreulich. Ich werde bei Gelegenheit versuchen, ihr das Angebot zu unterbreiten.«
Esme erschauerte. »Wie du in diesem Haus überleben willst, ist mir unerfindlich. Ich glaube, ich würde dem üblen Brodem erliegen, der dort herrscht, und ich bin doch wahrlich nicht von sensibler Konstitution.«
»Ich werde sicherlich keinem Brodem zum Opfer fallen«, sagte Helene mit Entschlossenheit. »Aber ich werde, wenn ich aus seinem Haus zurückkehre, in anderen Umständen sein. Das ist mir das Wichtigste.«
Esme schüttelte den Kopf. »Ich fasse es einfach nicht, wie sehr du dich verändert hast, Helene. Ich komme mir vor wie eine Figur aus diesem Shakespeare-Stück, wo Zettel mit einem Eselskopf aus dem Wald tritt: ›O Helene, du bist verwandelt! Gott behüte dich, du bist transferiert!‹«
Helene lächelte bloß. »Du hast Glück, dass wir schon so lange befreundet sind, sonst würde ich es dir übel nehmen, dass du mich mit einem Esel vergleichst.«
»Solange der Kopf passt!«, neckte Esme und wich lachend einem Sofakissen aus.
17
Ärger naht in mannigfacher Verkleidung
Erst am Abend des nächsten Tages erkannte Tom die komplizierte Lage, in die er geraten war. Des Butlers flüchtige Nichte war zum Glück zurückgekehrt, und Meggin war in der Kinderstube zu Bett gebracht worden, wo sie immer noch Linas Stola umarmte.
»Sie mochte sie so gern«, erzählte Lina, »dass ich sie ihr geschenkt habe. Auch ich kann mich noch an das schöne Gefühl erinnern, als ich zum ersten Mal Seide auf meiner Haut spürte.« Ihr Lächeln sandte einen glühenden Feuerblitz in Toms Schritt.
Er steckte wahrlich in der Klemme.
Rees war nur kurz zum Abendessen erschienen und hatte brüsk angekündigt, dass Helene in drei bis vier Tagen eintreffen werde. Dann hatte er hastig sein Mahl hinuntergeschlungen und war im Musikzimmer verschwunden, aus dem alsbald misstönende Klaviertöne zu vernehmen waren.
So kam es, dass Tom und Lina allein am Tisch saßen. Es war das erste Mal seit sechs Jahren, dass Tom mit einer Frau allein war, seit jenem Abend vor seiner Priesterweihe, als er einer gewissen Betsy Prowd für immer Lebewohl gesagt hatte. Er schaute von seinem Mandeltörtchen auf und sah Linas braune Augen auf sich geheftet. Sie machte ihn völlig konfus. Bald erweckte sie den Eindruck eines harmlosen Vögelchens, das sich willig in seine Hand schmiegen würde, dann wieder erschien sie Tom wie ein mutwilliges Rotkehlchen, das seine Federn mit der Unbekümmertheit einer
très coquette
spreizte.
»Wieso sind Sie Geistlicher geworden?«, fragte sie. Ihre Stimme war so klar und volltönend wie eine Glocke. Tom ertappte sich bei der Überlegung, wie ihre Stimme sich anhören würde, wenn sie im Bett seinen Namen flüsterte.
Er riss sich von der Vorstellung los. »Eigentlich war mein Weg vorgezeichnet. Bevor ich erwachsen war, war es bereits beschlossene Sache. Die Kirche ist das angemessene Arbeitsfeld für den jüngeren Spross einer Adelsfamilie.«
»Aus eigenem Antrieb hätten Sie die Kirche also nicht gewählt?«
»Vermutlich nicht«, gestand er zögernd. »Aber
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