Lady Helenes skandaloeser Plan
Sie?«, fragte er dann und drehte ihre Hand, musterte sie eingehend, als erwarte er dort die Antwort. Helene schwieg. »Ihre Hände sind erlesen«, fuhr er fort. »Ich weiß, das habe ich bereits gesagt, aber …« Er begann, zart ihre Fingerspitzen zu küssen.
Helene gefiel das. Sie legte die Partitur beiseite. Maynes Aufmerksamkeiten waren wirklich exquisit.
»Ich würde Sie so gern besuchen«, drängte er, »sofern die Umstände es erlaubten.«
»Leider tun sie es nicht«, erklärte sie standhaft.
Er fuhr fort, ihre Fingerspitzen zu küssen. »Weil Sie im Haus Ihres Mannes wohnen?«
Helene schnappte nach Luft. »Woher wissen Sie das?«
»Haben Sie sich mit ihm versöhnt?«, fragte Mayne. »Sie sehen ja, dass ich lediglich Fragen stelle, die … uns betreffen.« Sein französischer Akzent war deutlicher denn je.
»O nein!«, versicherte Helene. Doch wie es sich wirklich verhielt, konnte sie ihm wohl kaum erklären. »Es handelt sich lediglich um einen Monat. Ich helfe ihm bei seiner Oper.«
»Seine
Oper
«, wiederholte Mayne sichtlich verblüfft. »Ich wusste gar nicht, dass Sie an seinen Opern mitwirken.«
»Das tue ich auch nicht«, insistierte Helene, die immer verlegener wurde.
Mayne schwieg einen Moment, hielt aber immer noch ihre Hand. »Ganz London glaubt, dass der Earl von Godwin mit einer jungen Frau zusammenlebt«, sagte er schließlich. »Ich vermute, das entspricht nicht der Wahrheit?«
»Natürlich nicht!«, sagte Helene mit Nachdruck. »Mein Mann hat dieses Verhältnis, auf das Sie anspielen, schon vor langer Zeit beendet.« Doch sie war noch nie eine gute Lügnerin gewesen.
Er hakte nicht noch einmal nach. »
Empörend!
«, urteilte er in scharfem Ton.
»Nein!«, entgegnete sie. Und dann: »Ich werde Ihnen gar nichts erzählen, wollte ich damit sagen!«
Falls Helene sich nicht sehr täuschte, stand ein teilnehmender Ausdruck in seinen Augen – und das war erstaunlich, hatte sie doch nie gehört, dass der Earl von Mayne ein mitfühlender Mensch war. Er galt als hart, ehrgeizig und verderbt – wie Rees. Sie biss sich auf die Lippen. Was, wenn er den Entschluss gefasst hatte, sie bloßzustellen? Der Ausdruck seiner Augen jedoch …
Aber sie hatte sich getäuscht. Das war nicht Mitleid. »Was immer Ihr Mann getan hat«, sagte er, jedes Wort betonend, »um Sie zu zwingen, unter derart demütigenden Umständen zu ihm zurückzukehren … dafür werde ich ihn töten!«
Die eisige Kälte seiner Stimme drang Helene bis ins Mark. »Er hat gar nichts getan!«, widersprach sie.
Es war deutlich, dass Mayne ihr nicht glaubte. Wer hätte gedacht, dass der Mann, der sich als verruchtester Galan Londons rühmte, ein solcher Prinzipienreiter war? »Rees hat mich in keiner Weise unter Druck gesetzt«, versicherte sie ihm. »Ich wohne in seinem Haus aus freien Stücken.«
»Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. Ich werde Sie von dem Schurken befreien, und wenn es das Letzte ist, was ich tue!«
»Nein, nein!«, rief Helene angstvoll aus. »Ich will gar nicht von ihm befreit werden, wirklich nicht! Ich bin gerne Gräfin von Godwin.« Sie drückte seine Hand. »Können Sie das nicht verstehen, Mayne? Rees und ich sind
Freunde
.«
»Freunde?« Immer noch schwang Kälte in seiner Stimme mit. »Ein Freund zwingt seine Ehefrau nicht, in nächster Nähe zu einer Hure zu leben!«
»Ich hätte gedacht, dass gerade Sie von allen Männern in London Verständnis dafür hätten. Immerhin sind Sie bekannt dafür, Damen zu trösten, deren Ehen alles andere als … ideal sind.« Eine höfliche Art auszudrücken, dass er mit vielen verheirateten Frauen geschlafen hatte. Wer war er denn, dass er das Benehmen eines Ehemannes kritisieren durfte?
Maynes Augen blitzten vor Wut. »Der Vergleich hinkt gewaltig. Ich würde keine Dame derart demütigen, und schon gar nicht meine eigene Frau.«
»Rees und ich sind gute Freunde«, wiederholte Helene. »Können Sie das nicht verstehen? Wir sind seit vielen Jahren verheiratet, und zwischen uns existieren nur
freundschaftliche
Bande.« Entschlossen schob sie die Erinnerung an ganz andersartige Gefühle von sich. Sie musste Mayne unbedingt davon überzeugen, dass sie sich freiwillig im Haus ihres Mannes aufhielt, oder er würde Rees töten! Sie konnte es ihm ansehen.
»
Freundschaftliche
Bande«, wiederholte er. »Aber jedes feinere Empfinden in Ihnen muss sich doch gegen die Anwesenheit dieser Dirne empören.«
Helene gestattete sich ein schalkhaftes Lächeln. »Es gibt
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