Lady in Rot (German Edition)
und stark, nachdem sie sich bereits dem Tode nahe gewähnt hatte.
„ Madre de dio !“ Seine Stimme klang dunkel, mit leichtem Akzent. „Ich hatte schon Angst, ich würde es nicht mehr rechtzeitig schaffen. Ist mit Ihnen alles in Ordnung?“
Emily brachte es immer noch nicht fertig, die Augen zu öffnen oder einen zusammenhängenden Satz zu formulieren. Nur mit Mühe kamen ihr die Worte über die Lippen: „Alles okay …“ Ihre nackten Füße berührten den Meeresboden, doch sie betete, dass ihr Retter sie noch nicht loslassen würde. Viel zu groß war die Angst, noch einmal in die unerbittlichen, tosenden Fluten zu stürzen.
Zu ihrer Erleichterung machte der Fremde keine Anstalten, seinen Griff zu lösen. Stattdessen zog er sie noch enger an sich, und ehe sie erraten konnte, was er vorhatte, hob er sie ganz auf seine Arme.
„Ohhh …!“
Ganz instinktiv legte sie ihm die Arme um den Nacken und hielt sich fest. Sie spürte, wie er sein Gewicht verlagerte, nach sicherem Halt suchte. Mit festem Tritt durchschritt er die Wellen, die immer noch auf sie beide zu brandeten und sie mit feiner, weißer Gischt besprühten.
„Wir haben es gleich geschafft …“
Emily wusste nicht, ob er eine Antwort erwartete. Hoffentlich nicht, sie hätte einfach keine Worte gefunden. Ihr Kopf lag an seiner Brust, und sie hörte seinen starken, regelmäßigen Herzschlag. Eine kleine Bewegung sorgte dafür, dass sie sein nasses schwarzes Haar und bronzefarbene Haut wahrnahm. Sein Haar war etwas länger als das der meisten Männer, die sie kannte. Es glich in nichts dem beinahe militärisch kurzen Schnitt, den Mark bevorzugte.
Doch so war Mark. Alles musste kontrolliert und beherrscht sein. Bis auf seinen Alkoholgenuss. Wenn er trank, dann verlor er jegliches Maß, jegliche Kontrolle über sich und wurde zu einem anderen Mann.
In den Armen dieses Fremden fühlte sich Emily dagegen so sicher und geborgen wie nie zuvor. Es war ganz so, als schirmten seine breiten Schultern und die muskulöse Brust sie vor der Welt und ihren Grausamkeiten ab. In seinen Armen konnte sie das ganze Elend der vergangenen Monate vergessen und den Problemen, die auf sie warteten, entrinnen.
Vito blickte auf die Frau hinunter, die er sicher zum Strand trug. In dem Moment, als sie in die riesigen Wellen gestürzt und untergegangen war, war ihm beinah das Herz stehen geblieben. Er merkte gar nicht, wie er sich bewegte und in rasendem Tempo zum Strand hinunterlief. Irgendwo auf dem Weg schleuderte er seine Schuhe von den Füßen, streifte die Jacke ab, während er die ganze Zeit rannte und rannte, durch den Sand, in das tosende Wasser hinein …
Als er die Stelle erreichte, an der er sie zuletzt gesehen hatte, dachte er schon, er hätte sie verloren. Doch dann entdeckte er in den Tiefen helles Haar und ein noch blasseres Gesicht sowie das Weiß ihres T-Shirts. Sofort stürzte er sich in die Fluten. Die eisigen Temperaturen nahm er überhaupt nicht wahr, sondern biss die Zähne zusammen und streckte die Arme nach ihr aus, bis er sie zu fassen bekam und sie hochzog, nach oben, an die Oberfläche …
Zuerst fürchtete er, zu spät gekommen zu sein. So schlaff hing sie in seinen Armen – viel zu schlaff. Doch dann hustete und keuchte sie, und die Luft strömte zurück in ihre Lungen. Ihr Kopf fiel gegen seine Schulter, das blonde Haar auf seine Brust.
Und plötzlich veränderte sich alles.
Sie waren beide kalt und nass. Doch was er fühlte, war eine brennende Hitze, die wie Feuer durch seine Adern schoss. Sein Körper wurde von rasendem Verlangen erfasst, nur mit Mühe konnte er sich davon abhalten, ihre leicht geöffneten Lippen wild und leidenschaftlich zu küssen.
Doch zunächst einmal musste er sie aus dem Wasser herausbekommen. Sie zitterte wie Espenlaub. Hoffentlich war ihr nichts Schlimmes passiert! Entschlossen legte er die letzten Meter zum Land zurück.
„Lassen Sie mich nicht los“, flüsterte sie. „Bitte lassen Sie mich nicht los!“
Wusste sie denn nicht, dass keinerlei Gefahr mehr bestand? Dass er nie auf die Idee gekommen wäre, sie loszulassen? Seit er sie zum ersten Mal am Strand erblickt hatte, war er in ihren Bann geraten, und jetzt, wo er sie in seinen Armen hielt, würde er sie nie und nimmer freigeben. Zumindest nicht, ehe er nicht herausgefunden hatte, was diese verrückten Gefühle zu bedeuten hatten. Nicht, ehe er diese unerwartete, heftige Anziehung bis zum Äußersten getrieben hatte.
„Oh, ich habe nicht die Absicht,
Weitere Kostenlose Bücher